Rz. 378
Mit Inkrafttreten der Rechtsänderung war fraglich geworden, was für die Anfechtung von Kreditrückzahlungen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Fällen einer Kreditgewährung durch den Gesellschafter in der Art eines Kontokorrentkredits gilt, insbesondere ob die Kreditrückführungen innerhalb des letzten Jahres vor dem Insolvenzantrag oder danach in ihrer Summe anfechtbar sind. Dies hat der BGH nun entschieden: Gewährt ein Gesellschafter fortlaufend zur Vorfinanzierung abzuführender Sozialversicherungsbeiträge Kredite in der Art eines Kontokorrents, die jeweils vor Erhalt des Nachfolgedarlehens (mithilfe öffentlicher Beihilfen) wieder von der Gesellschaft zurückgezahlt werden, so ist die Anfechtung wie bei einem Kontokorrentkredit auf die Verringerung des Schuldsaldos im Anfechtungszeitraum beschränkt; anfechtbar sind die Kredittilgungen also nicht in der Summe, sondern nur bis zur eingeräumten Kreditobergrenze. Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, dass anderenfalls der Masse mehr zurückgewährt würde, als die Schuldnergesellschaft jemals hatte, denn mehr als die ausgeschöpfte Kreditlinie war im Schuldnervermögen niemals vorhanden und für die Befriedigung der Gläubiger einsetzbar.
Rz. 379
Trotz der vorgenannten Entscheidung blieb auf mögliche Probleme bei der Konzerninnenfinanzierung durch (physisches) Cash-Pooling in insolvenznahen Szenarien hinzuweisen. Zwar verfolgte der Gesetzgeber des MoMiG, wie an anderer Stelle ausgeführt, u.a. das Ziel, das Cash-Pooling entgegen der sehr restriktiven Rspr. zur alten Gesetzeslage bei Kapitalaufbringung und -erhaltung wieder problemlos zu ermöglichen. Jedoch ist zu beachten, dass durch die mit dem MoMiG in Kraft gesetzten Regelungen die Probleme der Konzern-Innenfinanzierung durch Cash-Pooling nicht sämtlich gelöst sind. Zum einen ist bereits ausgeführt worden, dass für eine wirksame Kapitalaufbringung der in den Cash Pool eingebundenen GmbH zwischen Neudarlehen i.S.d. § 19 Abs. 5 GmbHG und verdeckter Sacheinlage i.S.d. § 19 Abs. 4 GmbHG zu differenzieren ist. Zum anderen sind durch die bisher ergangene höchstrichterliche Rspr. die Zweifel betreffend die Anfechtbarkeit von wiederholten Darlehenstilgungen im Rahmen des Cash-Pooling nicht vollständig bzw. nicht mit letzter Sicherheit ausgeräumt. Die wiederholten Tilgungen absteigender Darlehen im Rahmen des Cash-Pooling würden sich für die Muttergesellschaft in besonderer Weise nachteilig auswirken, wenn in einer späteren Insolvenz der Tochtergesellschaft alle Cash-Abführungen innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantrag oder danach, bei denen es sich um Darlehensrückzahlungen handelte, nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Summe angefochten werden könnten und somit von der Muttergesellschaft auch dann zurückzuzahlen wären, wenn sich die Tochtergesellschaft zur Zeit der Cash-Abführungen (noch) nicht in einer Krise befand. Ob auch in diesem Fall die zuvor genannte Rspr. zu Darlehensgewährungen in der Art des Kontokorrents heranzuziehen ist mit der Folge, dass nur eine Verringerung des Schuldsaldos im Anfechtungszeitraum anfechtbar wäre, konnte nicht als sicher angesehen werden. Denn in dieser Entscheidung hatte der BGH darauf abgestellt, dass der Kredit jeweils nur für kurze Zeit gegeben und vor der jeweiligen erneuten Inanspruchnahme wieder getilgt war und dass eine Kreditobergrenze vereinbart war. Beides ist beim realen Cash-Pooling nicht der Fall. In weiteren Entscheidungen hat der BGH erneut zu kontokorrentartigen Darlehensverhältnissen Stellung genommen. Nach einer dieser Entscheidungen entfällt die mit der im letzten Jahr vor Insolvenzantrag erfolgten Darlehensrückgewährung von der Gesellschaft an den Gesellschafter eingetretene objektive Gläubigerbenachteiligung, wenn (und soweit) der Gesellschafter die erhaltenen Beträge an die Gesellschaft wieder zurückzahlt, um die ursprüngliche Vermögenslage wiederherzustellen. In der Begründung hat der BGH ausgeführt, dass in einem echten Kontokorrent mit vereinbarter Kreditobergrenze eine Gläubigerbenachteiligung durch einzelne Kreditrückführungen ausscheidet, weil ohne sie die Kreditmittel, die der Schuldner danach tatsächlich noch erhalten hat, ihm nicht mehr zugeflossen wären; anfechtbar seien solche Kreditrückführungen daher nicht in Summe, sondern nur bis zur eingeräumten Kreditobergrenze. Diese Grundsätze hat der BGH entsprechend auf Kreditverhältnisse angewandt, in deren Rahmen der Gesellschafter der Gesellschaft fortlaufend Zahlungen gewährt, die durch ihre gleichbleibenden Bedingungen nach Art eines Kontokorrents miteinander verbunden waren. Entscheidend sei, dass die Handhabung des Kreditverhältnisses in der Art eines Kontokorrents durch wechselseitige Ein- und Auszahlungen verlief. Dann würden in rascher Folge erfolgte Rück- und Auszahlungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in einem einheitlichen Kreditverhältnis verbunden. Die Anfechtung richtet sich also in der Höhe nach dem höchsten im Anfechtungszeitraum an den ...