Rz. 383
Nach Inkrafttreten des MoMiG waren Zweifel aufgekommen, wie nunmehr abgetretene ehemalige Gesellschafterdarlehensforderungen in der Insolvenz der schuldenden Gesellschaft zu behandeln sind. Die Abtretung könnte in gewisser Weise als Befriedigung angesehen werden mit der Folge, dass sie nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar wäre, sofern sie binnen eines Jahres vor Insolvenzantrag über das Vermögen der Gesellschaft erfolgte. Dann wären die Darlehensforderung in der Insolvenz nachrangig und Befriedigungen innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantrag im Wege der Insolvenzanfechtung zurück zu erstatten.
Rz. 384
Diese Fallkonstellation hatte zunächst das OLG Stuttgart entschieden: Dem Zessionar eines Anspruchs auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens kann die Qualifikation als Gesellschafterdarlehen und damit die Nachrangigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO jedenfalls dann nach § 404 BGB entgegen gehalten werden, wenn die Abtretung innerhalb eines Jahres (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) vor dem Insolvenzantrag erfolgte. Dann ist auch eine Darlehenstilgung aus dem Gesellschaftsvermögen an den Zessionar innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantrag über das Vermögen der Gesellschaft dem Zessionar gegenüber anfechtbar. Diesen Teil der Entscheidung hat der BGH bestätigt.
Rz. 385
Allerdings hatte das OLG Stuttgart auch entschieden, dass der Gesellschafter/Zedent für den anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch nicht gesamtschuldnerisch mithaftet, ihm gegenüber die Anfechtung also nicht auch erfolgen könne. Letzteres hielt ich nicht für richtig, wenn die Abtretung zur Vermeidung der rechtlichen Nachteile des Gesellschafterdarlehens erfolgte und der Zedent (= Gesellschafter) wirtschaftlich die Rückzahlung des Darlehens aus dem Vermögen der Gesellschaft über den "Umweg" des Kaufpreises für die Forderung und Darlehensrückzahlung an den Zessionar erhalten hat. Nun hat der BGH die Entscheidung des OLG Stuttgart insoweit aufgehoben und entschieden, dass in solchem Fall auch der Gesellschafter als Zedent der Anfechtung des Tilgungserhalts unterliegt, wenn Abtretung und Tilgung des Darlehens innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantrag erfolgten. Zedent und Zessionar haften für den Rückgewähranspruch aus der Insolvenzanfechtung gesamtschuldnerisch, weil der Gesellschafter durch die Abtretung der Darlehensforderung die Zahlung an seine Geheißperson veranlasst hat. Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, dass der Gesellschafter seine Finanzierungsfolgeverantwortung nicht durch Wahl einer bestimmten rechtlichen Konstruktion aufweichen oder unterlaufen könne; die Zahlung an den Dritten erfolge schließlich, weil die Konstruktion auf eine Willensentschließung des Gesellschafters zurückgehe, die der Durchsetzung seines wirtschaftlichen Interesses diene.
Rz. 386
Die folgenden tragenden Gründe dieser Entscheidung des BGH dürften auch für weitere Auslegungs- und Anwendungsfragen der Regelungen zu Gesellschafterdarlehen im Insolvenzfall richtungsweisend sein:
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Die von Rspr. und Lit. zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelten Grundsätze können im Streitfall für die Auslegung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO grds. fruchtbar gemacht werden; |
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in Übereinstimmung mit dem früheren Recht ist im Interesse des Gläubigerschutzes dafür Sorge zu tragen, dass die Vielgestaltigkeit der Sachverhalte, die der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen, von den Neuregelungen auch erfasst wird; |
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es ist Vorsorge dagegen zu treffen, dass der Gesellschafter das mit der Darlehensgewährung verbundene Risiko auf die Gemeinschaft der Gesellschaftsgläubiger abwälzt; |
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die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters darf nicht durch die Wahl einer bestimmten rechtlichen (Umgehungs-)Konstruktion unterlaufen werden. |
Rz. 387
Daher ist im Rahmen der Vorschrift die wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend und es ist die im Wege einer Abtretung ebenso wie die durch eine Anweisung bewirkte Drittzahlung als Leistung an den Gesellschafter zu behandeln. Entscheidend ist, dass die Zahlung, auch wenn sie an einen Dritten erfolgt, letztlich auf eine Willensentschließung des Gesellschafters zurückgeht, die der Durchsetzung seines Willens dient.
Seither werden die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die M&A-Praxis diskutiert. Zwar bin ich der Auffassung, dass bei gleichzeitiger Abtretung des Geschäftsanteils und des Darlehensrückzahlungsanspruchs an den Unternehmenserwerber eine Anfechtung gegenüber dem Veräußerer nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht gegeben ist, weil die Finanzierungsfolgeverantwortung nicht umgangen, sondern auf den Erwerber übertragen wird. Jedoch besteht wegen der vg. BGH-Entscheidung insoweit noch keine Rechtssicherheit, so dass das Risiko für den Zedenten durch eine vorherige Einlage des Darlehens in die Gesellschaft oder Vereinbarung eines (besicherten) Freistellungsanspruchs gegenüber dem Zessionar/Unternehmenserwerber oder durch sonstige Regelungen ausgeschlossen ...