Rz. 672
Die Normen über die Insolvenzantragspflicht werden von der ganz herrschenden Meinung und der Rspr. als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen. Daraus folgt eine Schadensersatzpflicht bei schuldhaftem Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht aus § 15a Abs. 1 u. 2 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB ggü. Gläubigern der Gesellschaft.
Rz. 673
Für den Umfang der Schadensersatzansprüche der durch die Insolvenzverschleppung geschädigten Gläubiger der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer wird zwischen Alt- und Neugläubigern differenziert.
aa) "Alt"-Gläubiger
Rz. 674
Altgläubiger sind Gläubiger mit Forderungen gegen die Gesellschaft, die bereits bei Beginn der Insolvenzverschleppung bestanden. Sie haben Anspruch auf Ersatz der Quotendifferenz, also des Betrages, um welchen sich ihre Befriedigungsquote in der Insolvenz wegen der vorausgegangenen Insolvenzverschleppung verringert hat. Der Quotenschaden ist bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter ggü. dem Geschäftsführer geltend zu machen (§ 92 InsO).
Im Hinblick auf den Schutzzweck des § 283 StGB, die Masse im Interesse der Gläubigergesamtheit zu sichern, haben aus einer Bankrottstraftat folgende Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB ihre Ursache in einer Masseschmälerung und sind daher als Altgläubigerschaden grds. ausschließlich vom Insolvenzverwalter geltend zu machen.
bb) "Neu"-Gläubiger
(1) Qualifikation als Neugläubiger
Rz. 675
Neugläubiger sind solche, die ihre Forderung gegen die insolvente Gesellschaft nach dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem der Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen. Bei Dauerschuldverhältnissen kann der Vertragspartner sowohl Alt- als auch Neugläubiger sein. Entscheidend ist, ob der Gläubiger seine Leistung noch hätte zurückhalten können, etwa durch Kündigung, Zurückbehaltungsrecht, etc.
Nach h.M. sollen Neugesellschafter, die nach der Insolvenzreife in deren Unkenntnis noch Eigenkapital zuführen, oder Zweiterwerber von Fremd- oder Eigenkapitalpositionen nicht als Neugläubiger gelten. Das ist kürzlich wieder in Frage gestellt worden. Nach einer jüngsten Entscheidung des BGH kann der Kommanditist, der auch nach Beginn der Insolvenzverschleppung Zahlungen auf seine Einlage weiter leistet bzw. fortsetzt, einen dem Kontrahierungsschaden eines Neugläubigers vergleichbaren Einzelschaden geltend machen.
(2) Umfang des Schadensersatzanspruchs
Rz. 676
Der Schadensersatzanspruch des Neugläubigers richtet sich auf den Ersatz des negativen Interesses. Neugläubiger haben Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, der dadurch entstanden ist, dass der Gläubiger in Rechtsbeziehung zu der insolventen Gesellschaft getreten ist und dieser Kredit gewährt oder sonstige Vorleistungen erbracht hat. Daher richtet sich der Anspruch nicht auf Ersatz des positiven Erfüllungsinteresses, sondern nur auf vollen Ersatz des negativen Interesses, also des Vertrauensschadens. Die Schadensersatzpflicht umfasst auch die Rechtsverfolgungskosten, die einem Neugläubiger noch vergeblich für die Verfolgung der Ansprüche gegen die insolvente Gesellschaft entstanden sind.
Rz. 677
Der Schutzbereich der Insolvenzantragspflicht umfasst auch solche Schäden des Neugläubigers, die durch fehlerhafte Bauleistung der insolvenzreifen Gesellschaft am Bauwerk verursacht werden und von dieser wegen fehlender Mittel nicht mehr beseitigt werden können. Bei Vertragsschluss bereits im Stadium der Insolvenzreife und Erbringung mangelhafter Leistung durch den späteren Insolvenzschuldner besteht aber kein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, etwa Mängelbeseitigungskosten, sondern es kann ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises oder Werklohns bestehen, da der Schuldner keine mangelfreie Sache geliefert hat.
Rz. 678
Ausnahmsweise kann der Schadensersatzanspruch des Neugläubigers auch das positive Interesse umfassen. Ersatz entgangener Einkünfte oder des entgangenen Gewinns kann der Neugläubiger ausnahmsweise verlangen, wenn ihm durch den Vertragsschluss mit der insolventen Gesellschaft Gewinn entgangen ist, den er ohne den Vertragsschluss anderweitig erzielt hätte. Diese Kausalität muss der Neugläubiger dann zweifelsfrei darlegen und ggf. beweisen.
Rz. 679
Der Schadensersatzanspruch des Neugläubigers gegen den Geschäftsführer ist nicht um die Insolvenzquote des Neugläubigers zu kürzen.
Rz. 680
Der Schadensersatzan...