aa) Anspruchsgrundlagenkonkurrenz
Rz. 627
Der Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. besteht neben einem evtl. Rückerstattungsanspruch aus Insolvenzanfechtung gegen den Empfänger der nämlichen Zahlung nach §§ 129 ff., § 143 InsO.
Rz. 628
Ob zwischen beiden Anspruchsgegnern Gesamtschuldnerschaft besteht, ist fraglich. Vereinzelt wird vertreten, dass sich aus der Grundsatzentscheidung des BGH zur gesamtschuldnerischen Haftung des Delikts- und des Kondiktionsschuldners eine Gesamtschuld ergebe. Das ist m.E. bereits deshalb unrichtig, weil der Anfechtungsgegner in jedem Fall zur Rückerstattung in die Masse verpflichtet ist, ohne auf die Erstattung durch den Geschäftsführer verweisen zu können. Die Masseverkürzung und damit die Haftung des Organs entfällt, wenn und soweit es dem Insolvenzverwalter gelingt, die – zuvor nach § 64 Satz 1. GmbHG a.F. verbotene – Zahlung im Wege der Insolvenzanfechtung vom Zahlungsempfänger zurückzuerhalten.
Rz. 629
Allerdings kann auch der Geschäftsführer den Insolvenzverwalter nicht primär an den Zahlungsempfänger als Anfechtungsgegner verweisen.
bb) Keine Haftungsverringerung aufgrund anderweitiger Anfechtungserfolge
Rz. 630
Zu beachten ist aber, dass eine erfolgreich durchgeführte Insolvenzanfechtung der von einem debitorischen Konto geleisteten Zahlung gegenüber dem Zahlungsempfänger bei der Haftung/Erstattungspflicht des Geschäftsführers wegen der Veranlassung von (vorherigen) Zahlungseingängen auf dem debitorischen Konto nicht anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist. Das folgt unmittelbar aus der vom BGH (und der wohl h.M. in der Lit.) verfolgten sog. Trennungslehre, nach der für die Beurteilung der Haftung des Geschäftsführers jede einzelne Zahlungsveranlassung im Hinblick auf ihre masseschmälernde Wirkung zu betrachten ist und es nicht im Sinne der sog. Einheitslehre darauf ankommt, ob die Masse in der gesamten Insolvenzverschleppungsphase per Saldo aus Vermögenszu- und -abflüssen verkürzt worden ist.
Umfasst jedoch eine durch Insolvenzanfechtung erreichte Rückzahlung nicht einzelne Gutschriften, sondern eine Saldodifferenz aus Ein- und Auszahlungen in einem bestimmten Zeitraum, werden die in die Saldodifferenz einfließenden Gutschriften im Verhältnis der Saldodifferenz zur Gesamtsumme der Gutschriften, mithin zum selben Anteil ausgeglichen, wenn die Differenz die Summe der Gutschriften nicht erreicht, was zu einer Reduzierung der Haftung des Geschäftsführers nach § 15b InsO führen kann.
cc) Keine nachträgliche Entstehung der Haftung durch Insolvenzanfechtung
Rz. 631
Eine masseschmälernde Zahlung liegt nicht vor, wenn die auf dem debitorischen Konto eingezogene Forderung wirksam an die Bank abgetreten war oder durch den Einzug und die Verrechnung mit dem Soll-Saldo anderweitige Sicherheiten für die Masse wieder frei werden. Diese Ergebnisse können nun nicht dadurch rückwirkend zunichtegemacht werden, dass die Sicherungszession und die anschließende Verrechnung der Bank nach §§ 129 ff. InsO vom Insolvenzverwalter angefochten werden. Nach zutreffender Ansicht des BGH hat dies keinen Einfluss auf die Haftung des Geschäftsführers aus § 64 Satz 1 GmbHG, weil eine zunächst nicht masseschmälernde Zahlung nicht nachträglich durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Anfechtung rückwirkend zu einer masseschmälernden werden kann. In der Lit. wird hingegen teilweise vertreten, dass bei Anfechtbarkeit der Zession die Haftungsprivilegierung für den Geschäftsführer nicht greifen kann.
dd) Abtretung des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs
Rz. 632
Nach der Rspr. des BGH kann der aus der Insolvenzanfechtung folgende Rückgewähranspruch abgetreten werden. Daher kann der nach § 64 GmbHG Ersatz leistende Geschäftsführer nach § 255 BGB Zug um Zug Abtretung des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs vom Insolvenzverwalter verlangen. Es kann aus Sicht des Geschäftsführers also sinnvoll sein, den Zahlungsempfänger in der Krise der Gesellschaft im insolvenzanfechtungsrechtlichen Sinne bösgläubig zu machen, ihm also die Tatsachen mitzuteilen, die eine spätere Insolvenzanfechtung begründen können.
Rz. 633
Nicht geklärt sind hingegen die sich ergebenden Folgefragen:
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Was gilt, wenn der Insolvenzverwalter die Anfechtung nicht erklärt hat? |
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Ist die Verfolgung des Insolvenzanfechtungsanspruchs nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) ausgeschlossen? |
Nach meinem Dafürhalten ist dies zu verneinen, da andernfalls die vom BGH gewährte Möglichkeit der Massemehrung durch Veräußerung des au...