Rz. 24

 

Praxishinweis

Alle vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass Eigeninsolvenzanträge, insb. über das Vermögen einer GmbH, häufig nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen gem. § 15a Abs. 1 InsO, sondern nicht selten stark verzögert, mitunter erst mehr als 1 Jahr nach Eintritt der materiellen Insolvenzreife der Gesellschaft gestellt werden und so die Insolvenz verschleppt wird.[26] Es scheint also ein Kernproblem des Insolvenzrechts zu sein, die Insolvenzreife der Gesellschaft und damit die bei der GmbH als haftungsbeschränkter Gesellschaften bestehende Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführung rechtzeitig zu erkennen und danach zu handeln.

 

Rz. 25

Für Geschäftsleitungen aller haftungsbeschränkter Gesellschaften, also solcher Gesellschaften, die keine natürliche Person als Vollhafter haben, besteht nach § 15a Abs. 1 und 2 InsO bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die unbedingte, strafbewehrte Insolvenzantragsverpflichtung.[27] Allein dies ist Anlass genug, die Prüfung der Insolvenzreife der Gesellschaft ausnahmslos an den Anfang jedes Sanierungsmandats zu stellen.

Für den Vorstand des rechtsfähigen Vereins besteht bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Insolvenzantragspflicht nach der Sonderregelung in § 42 Abs. 2 BGB, die der allgemeinen Vorschrift des § 15a InsO als lex specialis vorgeht.[28]

 

Rz. 26

Für die Prüfung des Vorliegens der Insolvenzeröffnungsgründe kann ergänzend auf Entwurf einer Neufassung des Standards zur Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW ES 11 n.F.) vom 27.09.2022[29] zurückgegriffen werden, der die bis dahin ergangenen gesetzlichen und höchstrichterlichen Anforderungen an die Beurteilung der Insolvenzreife berücksichtigt.

[26] Vgl. nur Haarmeyer, ZInsO 2009, 1273 ff. m.w.N. Nach einer Untersuchung von Kirstein von 326 GmbH-Insolvenzverfahren trat die materielle Insolvenzreife im Durchschnitt 10,28 Monate vor dem Insolvenzantrag ein, ZInsO 2006, 966, 967.
[27] Vorübergehend war die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, u.a. durch das COVInsAG. Da die Aussetzungszeiträume sämtlich abgelaufen sind, wird hier von der Darstellung abgesehen und auf die ausführliche Darstellung in der Vorauflage oder bei Bauer, Die GmbH in der Krise, 7. Aufl. 2022, Rn 1634 ff. und 1650 ff. verwiesen.
[28] Nach § 15a Abs. 7 InsO sind die Regelungen in § 15a Abs. 16 InsO auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Abs. 2 BGB gilt, nicht anzuwenden.
[29] Verabschiedet als Entwurf vom Fachausschuss Sanierung und Insolvenz am 27.9.2022; billigende Kenntnisnahme durch den Hauptfachausschuss am 28.11.2022; Download auf der Internetseite des IDW.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge