Rz. 209
Aus Gründen des Gläubigerschutzes existiert eine Vielzahl von Regelungen, welche gläubigerschädigendes Fehlverhalten insb. im Insolvenzvorfeld nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich sanktionieren und die durch die Rspr. auch sehr strikt angewandt werden.
Hinweis
Die Deliktanfälligkeit des Schuldners und der übrigen Beteiligten wächst mit der Insolvenznähe.
Rz. 210
Im Rahmen eines jeden Insolvenzverfahrens wird geprüft, ob in ihrem Umfeld Straftaten begangen worden sind. Aufgrund der Verordnung über die Mitteilung in Zivilsachen ("MiZi") senden die Insolvenzgerichte die Akten an die StA zur Überprüfung. Obwohl Statistiken nicht existieren, gehen Strafrechtspraktiker davon aus, dass im Zusammenhang mit etwa 80 % der Unternehmensinsolvenzen auch Straftaten begangen worden sind. Besondere Deliktgefährdung besteht auch hier wiederum, wenn die Krisengesellschaft eine GmbH ist.
Rz. 211
In Insolvenzverfahren hat der Schuldner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§§ 22 Abs. 3, 97, 98 InsO). Für aufgrund dieser erteilte Auskünfte besteht in einem Strafverfahren ein Verwendungsverbot. Dies soll nach OLG Celle nicht für Angaben gegenüber dem im Insolvenzeröffnungsverfahren bestellten Gutachter gelten, weil dieser nicht zu den auskunftsberechtigten Personen i.S.d. § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO gehöre und die Pflicht des Insolvenzschuldners zur Vorlage von Unterlagen auf der allgemeinen Mitwirkungspflicht nach § 97 Abs. 2 InsO beruhe, auf die sich das Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht erstrecke. Das halte ich nicht für richtig, zumal es sich bei den Angaben gegenüber dem Sachverständigen rechtlich um solche gegenüber dem Gericht handelt.
Rz. 212
Neben den unmittelbaren strafrechtlichen Folgen sind stets auch die außerstrafrechtlichen Nebenfolgen zu berücksichtigen, etwa Amtsunfähigkeit des Geschäftsführers nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG, Ausschlüsse nach §§ 33, 36 KWG (auch möglich, wenn keine Verurteilung erfolgt), Untersagung der Berufsausübung nach §§ 96 StBerG, 114 BRAO, Bußgelder gegen das Unternehmen, dessen Geschäftsführer gegen entspr. Vorschriften verstoßen hat, Eintragung in das Korruptionsregister bei Betrug, Untreue (z.B. relevant für Teilnahme an Vergabeverfahren), Akteneinsichtsrecht der durch Straftaten Betroffenen zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche.
Rz. 213
In diesem Zusammenhang ist besonders auf den recht umfassenden Katalog der Straftatbestände in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 GmbHG hinzuweisen, deretwegen eine Vorsatzverurteilung zur Amtsunfähigkeit (Inhabilität) des Geschäftsführers, mithin zum Ausschluss vom Geschäftsführeramt auf die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft der Verurteilung führt. So disqualifizieren Verurteilungen wegen Bankrottstraftaten (§§ 283–283d StGB) und wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO) für das Amt des Geschäftsführers. Außerdem führen zur Amtsunfähigkeit die Vorsatzverurteilung wegen falscher Angaben nach § 82 GmbHG bzw. § 399 AktG, unrichtiger Darstellung nach § 400 AktG, § 331 HGB, § 313 UWG oder § 17 PublG, sowie eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mind. ein Jahr wegen Betrugsstraftaten nach §§ 263–264a StGB, wegen Kreditbetruges nach § 265b StGB, wegen Untreue nach § 266 StGB oder wegen vorsätzlichen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB. Nach Aufnahme der §§ 265c–e StGB (Sportwettbetrug u.a.) durch Gesetz vom 11.4.2017 führt wegen der unverändert gebliebenen Bereichsverweisung in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3e GmbHG (Verweis auf "§§ 265b–266a StGB") auch eine Verurteilung wegen der dort genannten Straftaten (Sportwettbetrug u.a.) zur Amtsunfähigkeit des Geschäftsführers.
Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG führt auch eine Verurteilung im Ausland wegen vergleichbarer Straftaten zur Amtsunfähigkeit des Geschäftsführers.
Rz. 214
Nach § 6 Abs. 5 GmbHG haften diejenigen Gesellschafter, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer amtsunfähigen Person die Geschäftsführung überlassen, der Gesellschaft ggü. solidarisch für Schäden, die dadurch entstehen, dass diese Person ihre Obliegenheiten ggü. der Gesellschaft verletzt.
Rz. 215
Im Vorfeld der Insolvenz des Unternehmens kommen aus praktischer Sicht des Beraters folgende Straftatbestände insb. in Betracht: