Rz. 27
Für juristische Personen des Privatrechts (z.B. GmbH, AG, e.G.) nach § 19 Abs. 1 InsO und für haftungsbeschränkte Gesellschaften ohne natürliche Person als Vollhafter (z.B. GmbH & Co.KG) ist nach § 19 Abs. 3 InsO neben Zahlungsunfähigkeit auch die Überschuldung ein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Überschuldung geht der Zahlungsunfähigkeit nicht selten zeitlich (lange) voraus.
1. Definition
Rz. 28
Nach wiederholten Gesetzesänderungen (Inkrafttreten der InsO, FMStG, SanInsFoG und vorübergehend SanInsKG) ist "Überschuldung" in § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO wie folgt definiert:
Zitat
"Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich."
Überschuldung i.S.d. InsO liegt somit nur vor, wenn zwei Tatbestandsmerkmale
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rechnerische Überschuldung und |
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Fehlen einer positiven Fortführungsprognose |
gegeben sind.
Rz. 29
Zu diesem zweistufigen Überschuldungsbegriff ist auf folgende Umstände und Zweifelsfragen hinzuweisen:
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Eine (positive) Prognose ist stets, besonders aber in einer Krise des Unternehmens mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und hat daher oft eine nur geringe Aussagekraft. Da die positive Prognose die rechnerische Überschuldung nicht beseitigt, wird durch den gelockerten Überschuldungsbegriff das Ausfallrisiko für die Gläubiger dadurch erhöht, dass die Teilnahme eines Unternehmens mit unzureichender Vermögensausstattung am Geschäftsverkehr weiterhin möglich ist; das galt umso mehr für den vorübergehend (bis 31.12.2023) kurzen Prognosezeitraum von nur vier Monaten. Die Gläubiger tragen also das Prognoserisiko. |
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Die Wiedereinführung des zweistufigen Überschuldungsbegriffs (durch das FMStG) wäre entbehrlich gewesen, wenn man sich der in der betriebswirtschaftlichen Lit. auch vertretenen Ansicht angeschlossen hätte, dass bei positiver Prognose im Überschuldungsstatus der Firmenwert (Goodwill) angesetzt werden kann. Bei positiver Fortführungsprognose ist der Unternehmenswert als Preis zukünftiger Zahlungsströme nämlich regelmäßig positiv. |
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Der geänderte Überschuldungsbegriff ändert nichts am gleichsam die strafbewehrte Insolvenzantragspflicht auslösenden Insolvenzantragsgrund der Zahlungsunfähigkeit. Dieser ist auch bei haftungsbeschränkten Gesellschaften ganz überwiegend der Antrags- und Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren. |
2. Überschuldungsstatus
Rz. 30
Die rechnerische Überschuldung ist anhand eines Überschuldungsstatus zu prüfen. Zum Stichtag (Tag der Vornahme der Prüfung) müssen in den Überschuldungsstatus das gesamte Vermögen sowie die dagegenstehenden Verbindlichkeiten aufgenommen werden. Sinn und Zweck des Überschuldungsstatus ist die Feststellung, ob das Gesellschaftsvermögen ausreicht, alle Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen.
Rz. 31
Der Überschuldungsstatus ist nicht gleichzusetzen mit der Handels- oder Steuerbilanz. Ebenso wenig ist der Begriff Überschuldung gleichzusetzen mit Unterbilanz oder Unterkapitalisierung. Die Jahresbilanz hat bei der Überschuldungsprüfung nur indizielle Bedeutung und ist nur Ausgangspunkt für die Ermittlung des wahren Wertes des Gesamtvermögens. Allein die Vorlage der Handelsbilanzen ist nicht geeignet, eine Überschuldung i.S.d. § 19 Abs. 1 InsO darzutun. Legt der Insolvenzverwalter zur Darlegung der Überschuldung nur eine Handelsbilanz vor, die einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweist, muss er zusätzlich erläutern, ob und ggf. in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige nicht bilanzierte Vermögenswerte vorhanden sind. Allerdings ist das Vorliegen einer Überschuldung i.S.d. § 19 InsO regelmäßig durch eine handelsbilanzrechtliche Überschuldung indiziert, also durch eine Handelsbilanz, die einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweist. Spätestens dann obliegt es dem Geschäftsführer, die Überschuldung zu prüfen und in diesem Rahmen eine Überschuldungsbilanz bzw. einen Überschuldungsstatus zu erstellen und regelmäßig fortzuschreiben.
Rz. 32
Bei der Erstellung des Überschuldungsstatus sind zwei Problemkreise zu lösen:
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Welche Positionen sind in den Überschuldungsstatus einzustellen? |
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Welche Werte sind im Überschuldungsstatus anzusetzen? |
Rz. 33
Übersicht 2: Ausgewählte Positionen im Überschuldungsstatus
Aktiv...