Rz. 392
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SanInsKG gilt die bis zum 30.9.2023 erfolgte Rückgewähr eines neuen Gesellschafterdarlehens, das im Zeitraum der pandemiebedingten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (zu diesem s.u. bei Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsführers) gewährt worden war, als nicht gläubigerbenachteiligend. Dies gilt nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Zahlungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nicht aber deren Besicherung; § 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 44a InsO finden insoweit in denjenigen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, die bis zum 30.9.2023 beantragt wurden, keine Anwendung.
aa) Tatbestand – nur Neudarlehen im Aussetzungszeitraum
Rz. 393
Zunächst ist für die Privilegierung erforderlich, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG vorlagen. Ferner ist für die Privilegierung die Rückführung der erfassten Gesellschafterdarlehen bis zum 30.9.2023 und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners bis zum selben Zeitpunkt erforderlich.
Vom Tatbestand der Neuregelung erfasst werden sodann nur Gesellschafterdarlehen, die im Aussetzungszeitraum (1.3.2020 – 30.9.2020 bzw. 31.12.2020) ausgereicht wurden. Die bloße schuldrechtliche Vereinbarung solcher Darlehen mit Ausreichung nach Ende des Aussetzungszeitraums dürfte nicht ausreichen. Gesellschafterdarlehen oder vergleichbare Finanzierungshilfen vor Beginn der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (1.3.2020) sind somit nicht erfasst. Besteht also Einigkeit, dass nur die Rückführung neuer Gesellschafterdarlehen privilegiert ist, wird es in zahlreichen Fällen zu Beurteilungsschwierigkeiten und Zweifelsfragen kommen, etwa wenn der Gesellschafter im Aussetzungszeitraum Umfinanzierungen bereits zuvor an seine Gesellschaft gewährter Finanzhilfen vornimmt, Gesellschafterforderungen aus Umsatzgeschäften stehen gelassen und somit als Darlehen umqualifiziert werden, Hin- und Herzahlen durch etwa erneute Einzahlung im Aussetzungszeitraum nach vorheriger Rückzahlung eines Altdarlehens, Einschaltung Dritter als neue Darlehensgeber mit deren Rückbesicherung, Auszahlung eines vor dem Aussetzungszeitraum vereinbarten Darlehens im Aussetzungszeitraum (etwa Finanzplandarlehen, Patronatserklärungen), etc.
Rz. 394
Ein (weiteres) Anwendungsproblem der Neuregelung kann sich in Fällen des Cash-Pooling ergeben. Nach der Rspr. des BGH ist beim Cash-Pooling die Rückführung des höchstens Saldos im Anfechtungszeitraum nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar (s.o.). Auch bei Fortführung des Cash-Pooling im Aussetzungszeitraum ist es denkbar, dass der im Anfechtungszeitraum (ein Jahr vor Insolvenzantrag) erreichte höchste Soll-Saldo vor dem 1.3.2020 (Beginn des Aussetzungszeitraums) erreicht wurde und sodann im Aussetzungszeitraum oder danach innerhalb des Anfechtungszeitraums (ein Jahr vor Insolvenzantrag, § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) – teilweise – zurückgeführt wurde. Hier wird in der Lit. mit Heranziehung der Argumentation betreffend die Kapitalerhaltungsvorschriften vertreten, dass auch diese Rückführung nach der Neuregelung nicht anfechtbar sein soll. Mir scheint es eher plausibel, dass in einem solchen Fall die Saldoreduzierung in der Zeit vor Beginn des Aussetzungszeitraums (1.3.2020) bis auf den Soll-Saldo bei Beginn des Aussetzungszeitraums nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar bleibt, weil dieser höhere Soll-Saldo = Kredit ja nicht während des Aussetzungszeitraums gewährt wurde. Der Beginn des Aussetzungszeitraums (1.3.2020) ist also für das Cash-Pooling die Zäsur.
Rz. 395
Die Neuregelung dürfte auch die Besicherung von Drittdarlehen durch den Gesellschafter (Fall des § 135 Abs. 2 InsO) erfassen, soweit die Sicherheit im Aussetzungszeitraum gewährt = geleistet wird.
bb) Rechtsfolge
Rz. 396
Die Rechtsfolge der Neuregelung ist, dass die von ihr erfassten Rückführungen der Gesellschafterdarlehen und der wirtschaftlich vergleichbaren Forderungen (s.o.) nicht anfechtbar sind, weil die Rückführungen als nicht gläubigerbenachteiligend i.S.d. § 129 InsO gelten und es somit an einer notwendigen Voraussetzung für die Insolvenzanfechtung fehlt. Außerdem sind bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen im Insolvenzverfahren noch bestehende For...