1. Einzelunternehmen
Rz. 95
Soll dem Nießbraucher an einem Einzelunternehmen der Vollrechtsnießbrauch eingeräumt werden, so ist hierzu eine Nießbrauchsbestellung an allen (einzelnen) Sachen, die zum Unternehmensvermögen gehören, nach den für sie jeweils geltenden Formvorschriften erforderlich. Der Nießbraucher betreibt sodann das Unternehmen für eigene Rechnung, ist aber gleichzeitig verpflichtet, es für den eigentlichen Eigentümer zu erhalten, damit dieser es nach Beendigung des Nießbrauchsrechts wieder übernehmen und fortführen kann.
Der Vollrechtsnießbrauch ist daher zur Absicherung des Übergebers wenig sinnvoll, es sei denn man würde gleichzeitig eine Führung des Unternehmens durch den Übernehmer im Namen des Übergebers vereinbaren.
Rz. 96
Beim Ertragsnießbrauch steht dem Nießbraucher lediglich der Ertrag des Unternehmens zu. Das Unternehmen als solches wird aber grundsätzlich vom Eigentümer auf eigene Rechnung geführt. Ein solcher Nießbrauch kann an Sachen (und damit auch an Einzelunternehmen als Sachgesamtheiten) mit dinglicher Wirkung nicht bestellt werden. Bei der Bestimmung des auf den Nießbraucher entfallenden Ertrages ist – vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarungen – ebenso zu verfahren wie bei einem Vollrechtsnießbrauch: Der laufende Gewinn gebührt dem Nießbraucher, Gewinne aus der Verwertung der Vermögenssubstanz stehen dem Nießbraucher aber grundsätzlich nicht zu.
Rz. 97
In ertragsteuerlicher Hinsicht ist aber darauf hinzuweisen, dass der BFH im Falle der Übertragung eines gewerblichen Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt die Steuerneutralität (Buchwertfortführung) ablehnt, da § 6 Abs. 3 EStG eine vollständige Übertragung mit allen Rechten (Besitz- und Fruchtziehungsrecht) voraussetze, die nur dann vorliegen könne, wenn der bisherige Betriebsinhaber seine gewerbliche Tätigkeit vollständig aufgebe. Genau das sei aber beim Nießbrauchsvorbehalt nicht der Fall. Demzufolge kommt es nach Auffassung des BFH bei der Übertragung zu einer Einkommensteuer auslösenden Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 EStG.
Rz. 98
Auch wenn nach dem zitierten Urteil noch unklar ist, wie sich die ertragsteuerlichen Konsequenzen eines vorbehaltenen Quotennießbrauchs am Einzelunternehmen darstellen und die Entscheidung inhaltlich nicht überzeugt, ist festzuhalten, dass der Vorbehaltsnießbrauch als Absicherungsinstrument bei der Übertragung von Einzelunternehmen (derzeit) aus ertragsteuerlichen Gründen regelmäßig ausscheidet.
2. Gesellschaftsanteile
Rz. 99
Auch bei Gesellschaftsanteilen steht im Falle des Ertragsnießbrauchs dem Nießbraucher lediglich der entnahmefähige Gewinn bzw. bei Kapitalgesellschaften die ausgeschüttete Dividende zu. Im Hinblick darauf, dass der Nießbraucher grundsätzlich nicht Inhaber der Gesellschaftsrechte wird, insbesondere kein Stimmrecht wahrnehmen kann, muss durch vertragliche Vereinbarungen sichergestellt werden, dass der Übernehmer jedenfalls bei Beschlüssen über die Gewinnverwendung bzw. über Entnahmemöglichkeiten/Ausschüttungen sein Stimmrecht im Sinne des Nießbrauchers auszuüben hat. Dies gilt umso mehr als eine entsprechende gesetzliche oder sich aus dem Gedanken von Treu und Glauben ergebende Verpflichtung des Übernehmers streitig ist.
Rz. 100
In ertragsteuerlicher Hinsicht stellt sich vor dem Hintergrund des oben angesprochenen Urteils aus dem Jahr 2017 die Frage, ob die dort für die ertragsteuerneutrale Übertragung von Einzelunternehmen gestellten Anforderungen auch für die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften (sog. Mitunternehmeranteilen) anzuwenden sind. Das sollte bereits angesichts des Gesetzeswortlauts in § 6 Abs. 3 S. 2 EStG ausgeschlossen sein, da dort ausdrücklich auch die Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils als steuerneutral privilegiert wird. Die vom BFH beim Einzelunternehmer geforderte vollständige Einstellung der gewerblichen/unternehmerischen Tätigkeit ließe sich hiermit nicht in Einklang bringen. Das sieht erfreulicherweise auch die Finanzverwaltung so.
Mangels eindeutiger Klarstellung durch die jüngere Rechtsprechung bleiben aber auch insoweit gewisse Restrisiken.
Rz. 101
Muster 28.6: Stimmrechtsausübung im Sinne des Nießbrauchers
Muster 28.6: Stimmrechtsausübung im Sinne des Nießbrauchers
Die mit dem nießbrauchsbelasteten Kommanditanteile verbundenen Mitgliedschaftsrechte, insbesondere die Stimmrechte – insbesondere hinsichtlich der in § _________________________ des Gesellschaftsvertrages genannten Beschlussgegenstände (Änderung des Gesellschaftsvertrages, Aufnahme n...