Rz. 23
Erbstatut:
Auch England und Wales haben seinerzeit, als sie noch Mitglied der Europäischen Union waren, die Europäische Erbrechtsverordnung nicht ratifiziert. Inzwischen ist das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union ausgetreten. Damit ist Großbritannien ein Drittstaat im Sinne der EuErbVO, was Auswirkungen auf die Möglichkeit der Rückverweisung gem. Art. 34 EuErbVO hat. England und Wales folgen dem Grundsatz der Nachlassspaltung. Während unbewegliches Vermögen nach dem jeweiligen Belegenheitsrecht (lex rei sitae) vererbt wird, gilt für bewegliches Vermögen das Recht des letzten Domizils des Erblassers (succession to movables). Davon zu unterscheiden ist noch das Prinzip der gesonderten Nachlassabwicklung, was bedeutet, dass der Nachlass zunächst auf einen personal representive übergeht, welcher bei testamentarischer Ernennung executer bezeichnet wird. Wird er indes vom Gericht benannt, so spricht man von einem administrator.
Rz. 24
Güterrecht:
Das englische Familienrecht kennt weder einen gesetzlichen noch vertragliche Güterstände. Damit gelten die allgemeinen eigentumsrechtlichen Regeln. Darüber hinaus sind auch Verfügungsverbote, Vertretungsmacht und gegenseitige Schuldenhaftung unbekannt. Im Schrifttum werden die Ehewirkungen jedoch als Form der gesetzlichen Gütertrennung bezeichnet. Der gemeinsame Erwerb von bedeutenden Wirtschaftsgütern ist in England aber nicht unüblich und muss daher auch entsprechend erbrechtlich beachtet werden. Zu beachten ist ferner, dass für den Fall der Scheidung den englischen Gerichten die Befugnis eingeräumt ist, die Übertragung von Vermögensmassen anzuordnen. Die gerichtliche Zuordnung von Vermögensmassen liegt dabei im freien Ermessen des Gerichts, was nicht selten zu einer hälftigen Aufteilung des Gesamtvermögens führt.
Rz. 25
Gesetzliche Erbfolge:
Dem englischen Rechtskreis sind die Begrifflichkeiten Erben und Vermächtnisnehmer fremd. Die Rechte des überlebenden Ehegatten sind stark ausgeprägt, wobei dieser ausschließlich erbrechtlich abgefunden wird. Die erbrechtlichen Zuwendungen hängen davon ab, ob der Erblasser Abkömmlinge oder aber nur Eltern oder Geschwister oder deren Abkömmlinge hinterlässt. Das Vorhandensein von leiblichen Abkömmlingen schließt sämtliche weiteren Verwandten von der Erbfolge aus, mit Ausnahme des überlebenden Ehegatten. Mehrere Kinder erben zu gleichen Teilen. Es gilt das Repräsentationsprinzip.
Rz. 26
Testamentsformen:
Erbverträge sind dem englischen Recht nicht bekannt. Das Testament (will) muss schriftlich abgefasst werden, wobei es nicht handschriftlich errichtet werden muss. Der Text muss allerdings vom Erblasser unterzeichnet sein. Möglich sind auch gemeinschaftliche Testamente (joint wills). Dabei können beliebige Personen gemeinsam ihr Testament errichten. Der Testator muss volljährig und freilich auch testierfähig sein. Testamentarische Zuwendungen bezeichnet man als devise oder legacy.
Rz. 27
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft:
Der Nachlass geht nicht ipso iure auf die Erben über. Stattdessen geht der gesamte Nachlass auf einen excecuter (bei Testament) oder personal representive (kein Testament) über. Aufgabe des Nachlassabwicklers ist es, den Nachlass in Besitz zu nehmen, die Nachlassverbindlichkeiten zu zahlen sowie den Nachlass zu verteilen. Die Auswahl des executers obliegt dem Testator, die des personal representive dem Gericht. Da die Erben des Erblassers aufgrund des Instruments des personal representive de facto keine Schulden erben können, spielt der Aspekt der Annahme oder Ausschlagung nur eine sehr untergeordnete Rolle. Die Ausschlagung indes muss durch form- und fristlose Verweigerung der Annahme der vom personal representive angebotenen Leistung erfolgen.
Rz. 28
Pflichtteilsrecht und ordre public:
Feste Pflichtteilsansprüche oder Noterbenrechte sind dem englischen Rechtskreis fremd. Eine Einschränkung in der Testierfreiheit gibt es jedoch aufgrund des Inheritance Act 1975, welcher Gerichte im Einzelfall ermächtigt, eine Versorgung naher Angehöriger aus dem Nachlass (sog. family provisions) anzuordnen. Darüber hinaus ist in deutsch-englischen Erbfällen stets der deutsche ordre public zu beachten, in Fällen, in welchen den in Deutschland lebenden leiblichen Abkömmlingen der Pflichtteil vollständig entzogen wird, beispielsweise mittels Rechtswahl zugunsten des englischen Rechts. Der BGH bejahte nämlich für diesen Fall einen starken Inlandsbezug und sah in der Rechtswahl und der vollständigen Pflichtteilsversagung nach englischem Recht einen Verstoß gegen den Deutschen ordre public und hob die Entscheidung des OLG Köln entsprechend auf. Dabei führte der BGH aus, dass das englische Recht zu der nach deutschem Recht verfassungsrechtlich verbürgten Nachlassverteilung in einem so schwerwiegenden Widerspruch steht, dass dessen Anwendung im diesem konkreten Fall untragbar war. Dies wiederum habe zur Folge, dass es hier keine Anwendung findet.
Rz. 29
Erbsch...