Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
I. Klärungsbedürftige Vorfragen
Rz. 135
Kapitalbildende Lebensversicherungen haben im Bereich der Pflichtteilsergänzung eine hohe Relevanz, wenn die Einräumung des Bezugsrechts schenkungsweise erfolgt. Der Pflichtteilsberechtigte kann gegenüber dem Erben oder einem anderen Verpflichteten einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen, wenn der Erblasser einem Dritten durch Einräumung eines Bezugsrechts eine Schenkung zukommen ließ.
Rz. 136
Der Erblasser kann dadurch, dass er sein Vermögen zu Lebzeiten verschenkt, dieses zum Zeitpunkt seines Todes (realer Nachlass) auf null stellen. Dadurch ergeben sich dann keine Pflichtteilsansprüche mehr. Dem beugt § 2325 Abs. 1 BGB vor, indem der Wert der pflichtteilsrelevanten Schenkung dem realen Nachlass als sog. fiktiver Nachlass hinzugerechnet wird. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein vom ordentlichen Pflichtteil unabhängiger Anspruch und somit ein selbstständiger Pflichtteilsanspruch, der auf Geldzahlung gerichtet ist. Zu differenzieren ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB, der gegenüber dem Erben geltend gemacht wird, vom Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2329 BGB, der gegenüber dem Beschenkten geltend gemacht wird.
Rz. 137
Es sind folgende Hauptfragen abzuklären:
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In welcher Höhe werden durch das Einräumen eines Bezugsrechts Pflichtteilsergänzungsansprüche ausgelöst? |
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In welcher Höhe wird die auf den Todesfall ausgezahlte Versicherungssumme auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2327 BGB in Anrechnung gebracht? |
Rz. 138
Dabei sind allerdings in einem ersten Schritt folgende Vorfragen abzuklären:
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Hinterließ der Erblasser pflichtteilsberechtigte Personen? |
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War der Erblasser Versicherungsnehmer? |
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Hat der Erblasser die Prämien bezahlt? |
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Wurde ein Dritter als Bezugsberechtigter benannt? |
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Wurde das Bezugsrecht dem Dritten schenkungsweise zugewandt? |
Rz. 139
Nur wenn alle vorstehenden Vorfragen mit "ja" beantwortet werden können, kann es zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen kommen. Wenn auch nur eine Frage mit "nein" beantwortet wird, kommt es nicht zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen, denn es kann sich bei der Zuwendung auch um eine Ausstattung oder um die Vergütung langjähriger Dienste handeln. Der Rechtsgrund der Zuwendung ist immer zu prüfen.
Rz. 140
Im Einzelnen sollten dann folgende Abklärungen vorgenommen werden:
Rz. 141
Zum Versicherungsnehmer:
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War der Erblasser alleine oder mit anderen Personen Versicherungsnehmer? |
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Wenn der Erblasser mit anderen Personen gemeinsam Versicherungsnehmer war, ist bei der Berechnung des Schenkungsnachlasses sein Anteil an der gesamten Prämienzahlung zu ermitteln. Dieses Verhältnis ist dann auf die Bemessungsgrundlage anzuwenden. |
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Die Frage, ob der Erblasser während der gesamten Laufzeit oder nur während eines Teils der Laufzeit Versicherungsnehmer war, ist unerheblich. |
Rz. 142
Zur Prämienzahlung:
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Hat der Erblasser die Prämien gezahlt oder hat der Bezugsberechtigte die Prämien bezahlt? |
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War der Erblasser nicht mehr Versicherungsnehmer, damit fällt dies unter die Fallkonstellation "Wechsel des Versicherungsnehmers". Ist der Erblasser erst während der Laufzeit des Vertrages eingestiegen, muss abgeklärt werden, ob das Bezugsrecht widerruflich oder unwiderruflich vereinbart war. War ein widerrufliches Bezugsrecht vereinbart, ist der spätere Einstieg für die erbrechtlichen Schlussfolgerungen unbeachtlich. Bei der Vereinbarung eines unwiderruflichen Bezugsrechts vor Eintritt des Versicherungsnehmers ist lediglich auf die Prämienzahlungen ab Eintritt des Versicherungsnehmers im pflichtteilsergänzungsrelevanten Zeitraum abzustellen bzw. auf den Anteil an der Lebensversicherung im Verhältnis der Prämienzahlung. |
Rz. 143
Zur Bezugsberechtigung:
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Wurde ein Dritter wirksam als Bezugsberechtigter benannt? |
Rz. 144
Zum Rechtsgrund:
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Wurde das Bezugsrecht dem Dritten wirksam schenkungsweise zugewandt? |
Der Dritte bedarf für das, was er durch Drittbegünstigung erhält, im Verhältnis zum Erblasser und dessen Erben eines wirksamen rechtlichen Grundes, um kondiktionsfest zu sein. In der Regel liegt eine Schenkung als Rechtsgrund vor. Der Schenkungsvertrag kommt jedoch oftmals nicht zu Lebzeiten des Erblassers zustande, die Einigung erfolgt postmortal. In der Einräumung der Bezugsberechtigung liegt zunächst ein Schenkungsangebot des Erblassers an den Drittbegünstigten. Dieses Angebot geht dem Drittbegünstigten nach dem Tod des Erblassers zu, und zwar regelmäßig aufgrund eines entsprechenden Auftrags an den Versprechenden. Die Annahme des Angebots kann auch noch nach dem Tod des Erblassers erfolgen, und zwar auch stillschweigend, §§ 130 Abs. 2, 151, 153 BGB. Die fehlende notarielle Form wird durch den Sofortvollzug geheilt.
Kein wirksamer Schenkungsvertrag liegt vor, wenn
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der Erblasser keinen Übermittlungsauftrag erteilt hat und der Dritte von der Begünstigung nur zufällig erfährt; |
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die Erben das Schenkungsangebot vor dessen Annahme rechtzeitig widerrufen haben; |
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der Erblasser selbst zu Lebzeiten die Begünstigung widerruft u... |