I. Allgemeines
Rz. 166
Lebensversicherungsverträge und Leistungen aus Lebensversicherungen können Auswirkungen auf den Zugewinnausgleichsanspruch haben.
Rz. 167
Der Ehepartner kann neben dem Pflichtteilsanspruch auch den Zugewinnausgleichsanspruch geltend machen, wenn er die Erbschaft ausschlägt. Die Verträge und Ansprüche aus der Lebensversicherung können dann die Höhe des Zugewinns beeinflussen. Lebensversicherungen haben daher mehrfache Auswirkungen auf den Zugewinnausgleichsanspruch.
Rz. 168
Zu unterscheiden ist wie folgt, wenn ein Dritter als Bezugsberechtigter bestimmt wurde:
(1) | Erfolgte die Einräumung des Bezugsrechts an einen Dritten mit Zustimmung des Ehepartners oder |
(2) | erfolgte die Einräumung des Bezugsrechts an einen Dritten ohne Zustimmung des Ehepartners? |
Es gibt eine Vielzahl zu berücksichtigender Konstellationen darüber hinaus, aber hier werden nur die zwei häufigsten Fälle dargestellt.
II. Enterbter Ehepartner ist nicht Bezugsberechtigter einer Lebensversicherung des Ehegattenerblassers und war mit der Einräumung des Bezugsrechts einverstanden
Rz. 169
Fall 1
Erblasser E ist mit EP im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Er hinterlässt fünf Kinder K1 bis K5. Der Nachlass beträgt 100.000 EUR. Das Anfangsvermögen der beiden Eheleute betrug 0 EUR. Das Endvermögen von EP beträgt 0 EUR. Es liegt eine letztwillige Verfügung vor, in der K3 von E zum Alleinerben eingesetzt wurde. Erblasser E war Versicherungsnehmer zweier kapitalbildender Lebensversicherungen, einmal mit einer Versicherungssumme von 100.000 EUR (Versicherung A) und einer Versicherung mit einer Versicherungssumme von 50.000 EUR (Versicherung B). Beide Versicherungen laufen länger als zehn Jahre. E war auch versicherte Person. Er bestimmt Bezugsrechte wie folgt:
▪ | K1 bekommt Versicherung A (Versicherungssumme von 100.000 EUR); |
▪ | K2 bekommt Versicherung B (Versicherungssumme von 50.000 EUR); |
▪ | Lebensversicherung A hat einen Rückkaufswert von 40.000 EUR zum Todeszeitpunkt; |
▪ | Lebensversicherung B hat einen Rückkaufswert von 20.000 EUR zum Todeszeitpunkt; |
▪ | EP war mit der Einräumung der Bezugsrechte einverstanden. |
Wie hoch sind die Ansprüche von EP?
Lösung:
Da EP enterbter Ehepartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist, stehen ihr ein Zugewinnausgleichsanspruch sowie ein Pflichtteilsanspruch zu.
Im ersten Schritt ist der Zugewinnausgleichsanspruch zu bestimmen. Da EP mit der Einräumung des Bezugsrechts einverstanden war, ist die Berechnung wie folgt vorzunehmen:
I. Zugewinnausgleichsanspruch
Dieser errechnet sich, da die Zustimmung zur Einräumung des Bezugsrechts erteilt worden ist, ohne die Lebensversicherung wie folgt:
Endvermögen des Erblassers | 100.000,00 EUR |
Anfangsvermögen | 0,00 EUR |
Zugewinn E | 100.000,00 EUR |
Zugewinnausgleichsanspruch EP | 50.000,00 EUR |
II. Pflichtteilsanspruch
Der Zugewinnausgleichsanspruch ist bei der Berechnung des Pflichtteils Nachlassverbindlichkeit und ist somit von den Aktiva abzuziehen.
Es ergibt sich nun folgende Berechnung:
Nachlassaktiva (= Endvermögen) | 100.000,00 EUR |
Nachlasspassiva (Zugewinnausgleich) | 50.000,00 EUR |
Nettonachlass | 50.000,00 EUR |
EP hat weiterhin einen Pflichtteilsanspruch i.H.v. 1/8 aus 50.000 EUR, somit 6.250 EUR.[98]
III. Pflichtteilsergänzungsanspruch
Die Einräumung des Bezugsrechts erfolgte schenkungsweise. Es ist der fiktive Nachlass wie folgt zu errechnen:
Versicherung A | 100.000,00 EUR |
+ Versicherung B | 50.000,00 EUR |
gesamt | 150.000,00 EUR |
EP hat einen Pflichtteilsergänzungsanspruch i.H.v. 1/8 aus 150.000 EUR, somit 18.750 EUR.[99]
IV. Gesamtansprüche von EP
Zugewinnausgleichsanspruch | 50.000,00 EUR |
Pflichtteil | 6.250,00 EUR |
Pflichtteilsergänzung | 18.750,00 EUR |
Gesamt: | 75.000,00 EUR |
Diese Ansprüche muss EP wie folgt geltend machen:
Zugewinn gegen Kind K3 i.H.v. 50.000 EUR
Pflichtteil gegen Kind K3 i.H.v. 6.250 EUR
Pflichtteilsergänzung wie folgt:
gegen K3: 18.750 EUR x 74,628 % | 13.991,25 EUR |
gegen K1: 18.750 EUR x 25,38 % x ⅔ | 3.172,50 EUR |
gegen K2: 18.750 EUR x 25,38 % x ⅓ | 1.586,25 EUR |
Gesamt: | 18.750,00 EUR |
III. Enterbter Ehepartner ist nicht Bezugsberechtigter einer Lebensversicherung des Ehegattenerblassers und war mit der Einräumung des Bezugsrechts nicht einverstanden
Rz. 170
Fall 2
Sachverhalt wie Fall 1, jedoch ohne Zustimmung des enterbten Ehepartners (EP) auf Einräumung des Bezugsrechts.
Die Ansprüche des EP errechnen sich, da die Zustimmung nicht erteilt wurde, wie folgt:
Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs
Endvermögen des Erblassers | 100.000,00 EUR |
+ Lebensversicherung (§ 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB) | 150.000,00 EUR |
./. Anfangsvermögen | 0,00 EUR |
Endvermögen | 250.000,00 EUR |
Zugewinn E | 250.000,00 EUR |
Zugewinnausgleichsanspruch EP | 125.000,00 EUR |
Nachlass ist überschuldet: | |
Endvermögen des Erblassers | 100.000,00 EUR |
./. Zugewinnausgleich | 125.000,00 EUR |
Überschuldung | – 25.000,00 EUR |
EP hat zunächst einen Anspruch auf 100.000 EUR aus dem Nachlass gegen K3. Weiter hat sie einen Anspruch gegen K1 und K2 i.H.v. 25.000 EUR nach § 1390 Abs. 2 BGB.
K1 und K2 verbleiben 125.000 EUR.
EP hat gegen K2 einen Anspruch i.H.v. ⅛ aus ⅓ aus 125.000 EUR = 5.208 EUR.
EP hat gegen K1 einen Anspruch i.H.v. ⅛ aus ⅔ aus 125.000 EUR = 10.416 EUR.
Die Gesamtanspr...
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