Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
Rz. 128
Fall
Erblasser E ist Versicherungsnehmer und versicherte Person einer kapitalbildenden Lebensversicherung. Er setzt sein eigenes Kind K1 als Bezugsberechtigten mit der Bestimmung ein, dass K1 sich die Lebensversicherungsleistung auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss. E setzt seinen EP zum Alleinerben ein.
Lösung:
Gemäß § 2315 Abs. 1 BGB hat sich K1 als Pflichtteilsberechtigter dasjenige auf seinen Pflichtteil anrechnen zu lassen, was der Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewandt hat, dass es auf seinen Pflichtteil angerechnet werden soll, somit die LV-Leistung.
Rz. 129
Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
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wirksame Bezugsberechtigung; |
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ein enterbter pflichtteilsberechtigter Erbe; |
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dieser pflichtteilsberechtigte Erbe muss vom Erblasser mit der Lebensversicherungssumme beschenkt worden sein; |
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es muss eine wirksame Anrechnungsbestimmung getroffen worden sein; und |
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die Höhe der Zuwendung muss für die Anrechnung bestimmt werden. |
Rz. 130
Die Bewertung der Zuwendung erfolgt gem. § 2315 Abs. 2 S. 2 BGB auf den Zeitpunkt, zu dem die Zuwendung erfolgte, und zwar zum Verkehrswert. Nach diesseitiger Auffassung erfolgt sie in Höhe des Rückkaufswertes und nicht in der Höhe der Versicherungssumme.
Rz. 131
Die Anrechnungsbestimmung ist, wie oben ausgeführt, eine empfangsbedürftige Willenserklärung, somit reicht die Bestimmung im Testament, dass Schenkungen auf den Pflichtteil anzurechnen sind, nicht aus. Bei einer Lebensversicherung auf den Todesfall handelt es sich wie bei einem Vertrag zugunsten Dritter um die "letztmögliche" Schenkung. Auch bei einer Lebensversicherung kann eine Anrechnungsbestimmung erfolgen. Der Versicherungsnehmer kann bereits bei Einsetzung eines Bezugsberechtigten diesem mitteilen, dass er ihm die Lebensversicherung zugedacht hat und dass er sich diese auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss. Wenn der Erblasser den Anforderungen des § 2315 Abs. 1 BGB genügt hat, taucht jedoch sogleich eine weitere Hürde auf. Nach Abs. 2 der Bestimmung wird der Wert der Zuwendung nach der Zeit bestimmt, zu welcher die Zuwendung erfolgt ist. Problematisch ist daher, in welcher Höhe der Bezugsberechtigte sich gem. § 2315 Abs. 2 BGB die Zuwendung anrechnen lassen muss. Klingelhöffer vertritt die Auffassung, dass gemäß der Auslegungsregel des § 330 BGB die Versicherungssumme als der anrechenbare Wert anzusetzen ist, da der Anspruch bereits mit Abschluss des Lebensversicherungsvertrages entsteht. Dies ist praktikabel, jedoch rechtlich nicht unumstritten. Rechtlich zutreffend ist es, den Zeitpunkt der gebilligten Auszahlung als denjenigen anzusehen, der auch für die Anrechnungserklärung maßgeblich ist, da gem. § 333 BGB der Bezugsberechtigte bei Auszahlung des Geldbetrages diesen zurückweisen kann. Dies ist auch insofern richtig, als mangels abweichender Anhaltspunkte bei einer Zurückweisung die Zuwendung an den Versicherungsnehmer oder seine Erben zurückfällt (§§ 168,180 VVG) oder an einen Ersatzbegünstigten geht, wenn ein solcher bestimmt ist (§ 166 VVG). § 2315 BGB hat die Intention, dass sich der Pflichtteilsberechtigte das, was er vom Erblasser schenkungsweise erhalten hat, auf seinen Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen muss. Bezogen auf den Lebensversicherungsvertrag hieße das, dass die Schenkung nicht in der Summe der vom Versicherungsnehmer entrichteten Prämien und auch nicht in der dem Dritten ausbezahlten Versicherungssumme bestehen würde, die der Versicherungsnehmer mit seinen Prämienzahlungen gegenüber dem Versicherer "erkauft" hat, sondern im Rückkaufswert. Es ist nämlich auf die letzte Sekunde des Lebens des Erblassers abzustellen und nicht auf die erste Sekunde des Todes des Erblassers.
Rz. 132
Die Anrechnung der Versicherungsleistung entspricht auch der Behandlung der Lebensversicherung im Rahmen der Anrechnungsvorschrift des § 1380 Abs. 1 S. 1 BGB für den Zugewinnausgleich, bei der es sich um eine Parallelbestimmung zu § 2315 Abs. 1 BGB handelt. Nach dieser Vorschrift wird auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten dasjenige angerechnet, was ihm vom anderen Ehegatten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet wurde, dass es auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden soll. Der Unterschied zwischen diesen beiden Vorschriften besteht darin, dass § 1380 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt, dass Zuwendungen im Zweifel angerechnet werden sollen, wenn ihr Wert den Wert von Gelegenheitsgeschenken übersteigt, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung dieses Tatbestands vor allem die Lebensversicherung im Auge gehabt, die ein Ehegatte zugunsten des anderen abgeschlossen hat. Sie ist daher im Zweifel auf die Ausgleichsforderung anzurechnen.
Rz. 133
Anrechnungspflichtig sind dabei jedoch nicht die Prämien, die der eine Ehegatte an den Versicherer gezahlt hat, sondern der Anspruch auf die Versicherungssumme, den er dem anderen Eh...