Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
Rz. 153
Bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung kann der Versicherungsnehmer einen bereits bei Vertragsschluss oder später bestimmten Bezugsberechtigten jederzeit einseitig abändern. Auch die Erben können das widerrufliche Bezugsrecht noch abändern, solange das Versicherungsunternehmen dem Bezugsberechtigten noch keine Mitteilung über sein Bezugsrecht gemacht hat.
Zitat
Wenn der Erblasser ein widerrufliches Bezugsrecht auf den Todesfall eingeräumt und nicht über seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag durch Abtretung verfügt hat, stehen ihm in der letzten Sekunde seines Lebens gleich mehrere Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu:
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der – durch eine Kündigung des Versicherungsvertrags aufschiebend bedingte – Anspruch auf den Rückkaufswert, |
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der – durch den Tod des Erblassers aufschiebend bedingte – Anspruch auf die Todesfallleistung, |
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der – auf das Erleben des Ablaufdatums aufschiebend bedingte – Anspruch auf die Erlebensfallleistung. |
Durch die Einräumung des widerruflichen Bezugsrechts hat der Erblasser eine auf den Todesfall aufschiebend bedingte und jederzeit widerrufliche Verfügung getroffen. Er kann – aufschiebend bedingt – von seinem Recht Gebrauch machen, durch einseitige Erklärung den Lebensversicherungsvertrag in einen Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328, 331 BGB) umzuwandeln.
Mit dem Tod des Erblassers wird diese Verfügung wirksam und unwiderruflich. Der Erblasser wird in dieser Sekunde um seine Ansprüche entreichert und der Bezugsberechtigte um seinen hierdurch entstehenden Anspruch bereichert. Durch die Aufgabe seiner eigenen Rechte "erkauft" – wie bereits ausgeführt – der Erblasser somit den originären Anspruch des Bezugsberechtigten auf die Versicherungsleistung.“
Rz. 154
Im Rahmen der Rechtsfolge des § 2325 Abs. 1 BGB ist somit nicht auf den Schenkungsgegenstand im Valutaverhältnis (Bereicherungsgegenstand), sondern auf den Gegenstand abzustellen, um den das Vermögen des Erblassers verringert wird (Entreicherungsgegenstand). Schutzzweck der §§ 2325 ff. BGB ist, die Aushöhlung des Pflichtteilsrechts durch lebzeitige Rechtsgeschäfte des Erblassers zu verhindern. § 2325 BGB stellt sicher, dass der Erblasser die für den Todesfall festgeschriebene Beteiligung von Pflichtteilsberechtigten an seinem Vermögen der letzten zehn Jahre nicht durch unentgeltliche Weggabe von Vermögenswerten schmälert. Dagegen gewährleistet § 2325 BGB Pflichtteilsberechtigten nicht die Teilhabe an Zugewinnmöglichkeiten im Zeitpunkt des Todes, die der Erblasser durch eine unentgeltliche Zuwendung seinen Erben genommen hat. Für die Pflichtteilsergänzung kommt daher nur ein Gegenstand in Betracht, der im lebzeitigen Vermögen des Erblassers vorhanden war, dies war der Anspruch auf den Rückkaufswert.
Rz. 155
Maßgebend für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt, in dem die Schenkung vollzogen wird. Für die Lebensversicherung gelten insoweit die Überlegungen entsprechend, die bereits im Zusammenhang mit der Bewertungsvorschrift des § 2315 Abs. 2 BGB angestellt worden sind.
Rz. 156
Beim widerruflichen Bezugsrecht ist der Verkehrswert nach § 2325 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 BGB anzusetzen.