Rz. 4
Grundsätzlich eröffnet nur ein zulässiges Rechtsmittel die Prüfung von dessen Begründetheit (Vorrang der Zulässigkeitsprüfung). Nur ausnahmsweise kann die Zulässigkeit eines Rechtsmittels offenbleiben, wenn zwischen seiner Verwerfung als unzulässig und seiner Zurückweisung als unbegründet weder hinsichtlich der Rechtskraftwirkung noch hinsichtlich der Anfechtbarkeit der Rechtsmittelentscheidung Unterschiede bestehen. Legt eine Partei gegen eine Entscheidung mehrfach Rechtsmittel – oder auch Berufung und Anschlussberufung (siehe unten Rdn 176) – ein, so handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel; dass Rechtsmittelgericht hat daher zu prüfen, ob eines der in verschiedener Form eingelegten Rechtsmittel zu einer sachlichen Überprüfung des Urteils führen kann, und wenn es dies bejaht, eine Sachentscheidung zu treffen. Die mehrfache Einlegung hat dann allenfalls Bedeutung für die Kostenentscheidung. (Nur) Wenn sich erweist, dass die in verschiedener Form eingelegten Rechtsmittel sämtlich unzulässig sind, ist – gleichfalls einheitlich über das Rechtsmittel zu entscheiden und – auszusprechen, dass dieses unzulässig ist.
Rz. 5
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Rechtsmittel sind von Amts wegen zu prüfen, aber nicht zu ermitteln. Die Beweislast trägt daher grundsätzlich der Rechtsmittelführer. Das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) beeinflusst indes die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Der Zugang zu einer vom Gesetzgeber eröffneten Instanz darf deshalb nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Ferner muss in der weiteren Instanz eine wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleistet sein; das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Rechtsmittelführer leerlaufen lassen.
I. Statthaftigkeit des Rechtsmittels
Rz. 6
Ein Rechtsmittel ist nur zulässig, wenn es gegen die angefochtene Entscheidung statthaft ist, d.h. wenn es gegen die angefochtene Entscheidung nach dem einschlägigen Verfahrensrecht seiner Art nach überhaupt gegeben ist und wenn es von einer hierzu befugten Person eingelegt worden ist.
Rz. 7
Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt (§ 511 Abs. 1 ZPO), wozu auch Teilurteile (§ 301 Abs. 1 S. 1 ZPO) zählen, Zwischenurteile dagegen nur aufgrund besonderer gesetzlicher Anordnung, wie es insbesondere bei Grundurteilen (§ 304 Abs. 2 Hs. 1 ZPO) oder Zwischenurteilen über die Zulässigkeit (§ 280 Abs. 2 S. 1 ZPO) der Fall ist. (Erste) Versäumnisurteile unterliegen nicht der Berufung (§ 514 Abs. 1 ZPO), anders als zweite Versäumnisurteile, bei denen jedoch als Berufungsgrund (siehe unten Rdn 128 ff.) ausschließlich geltend gemacht werden kann, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung – dessen Sanktionierung durch den endgültigen Prozessverlust ein zweites Versäumnisurteil dient – nicht vorgelegen hat (§§ 514 Abs. 2, 345 ZPO). Gegen ein zweites Versäumnisurteil, das von dem erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgericht in einem Verfahren wegen Entschädigung aufgrund überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff. GVG) erlassen wird, findet die Revision ohne Zulassung und ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands statt.
Rz. 8
Die Revision ist – grundsätzlich – gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile statthaft (§ 542 Abs. 1 ZPO), nicht aber gegen Urteile im einstweiligen Rechtschutz (§ 542 Abs. 2 ZPO). Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch eine Sprungrevision gegen im ersten Rechtszug erlassene Endurteile statthaft (§ 566 ZPO).
Rz. 9
Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidun...