1. Berufungsfrist
Rz. 58
Die für die Einlegung der Berufung zu beachtende Berufungsfrist beträgt einen Monat und beginnt grundsätzlich mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 517 ZPO). Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des vollständigen Urteils reicht – seit 1.7.2014 – aus (§ 317 Abs. 1 S. 1 ZPO). Als Notfrist ist die Berufungsfrist zwar unabänderbar (arg. § 224 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO), jedoch ist bei ihrer unverschuldeten Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – auch ohne ausdrücklichen Wiedereinsetzungsantrag – möglich (§ 233 ZPO). Zum Nachweis für den wirksamen Vollzug einer Zustellung reicht es aus, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei sich in einer Rechtsmittelschrift auf das erstinstanzliche Urteils ausdrücklich mit den Worten "zugestellt am ..." bezieht, sofern auch die weiteren, unabdingbaren Anforderungen an die Vollendung der Zustellung erfüllt sind. Auch die Tatsache, dass ein Prozessbevollmächtigter die erfolgte Urteilszustellung ungeachtet der unterlassenen Rücksendung des Empfangsbekenntnisses zur Grundlage seines weiteren Vorgehens macht und dem Mandanten die Einlegung der Berufung empfiehlt, lässt sicher darauf schließen, dass er die Zustellung gegen sich gelten lassen will und seine Empfangsbereitschaft nicht anzweifelt, und setzt daher die Rechtsmittelfristen in Gang.
Rz. 59
Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321 ZPO), beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem (§ 518 S. 1 ZPO). Die Berichtigung eines Urteils wegen offenbarer Unrichtigkeit (§ 319 ZPO) hat dagegen grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf der Rechtsmittelfrist; gegen das berichtigte Urteil findet nur das gegen das ursprüngliche Urteil zulässige Rechtsmittel statt, die Frist zu seiner Einlegung läuft schon von der Zustellung der unberichtigten Urteilsfassung an. Nur ausnahmsweise beginnt eine neue Rechtsmittelfrist mit der Bekanntmachung des Berichtigungsbeschlusses zu laufen, nämlich dann, wenn das Urteil insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels sowie für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden. Das ist etwa der Fall, wenn erst die berichtigte Entscheidung die Beschwer erkennen lässt oder ergibt, dass die Entscheidung überhaupt einem Rechtsmittel zugänglich ist.
Rz. 60
Gewahrt wird die Frist (nur) durch die Einlegung beim zuständigen Berufungsgericht (§ 519 Abs. 1 ZPO). Wird die Berufungsschrift bei einem unzuständigen Gericht eingereicht, so hat dieses sie zwar weiterzuleiten, kann sich dabei aber auf Maßnahmen beschränken, die im ordentlichen Geschäftsgang zu erwarten sind. Die Fürsorgepflicht eines für die Berufung unzuständigen Gerichts erfordert aber – selbst von Verfassungs wegen – auch dann keinen sofortigen Hinweis durch Telefonanruf oder Telefax, wenn die Unzuständigkeit am letzten Tag der Berufungsfrist vom Richter erkannt wird. Ein Anwalt genügt seinen Sorgfaltspflichten, wenn er einen fristgebundenen Schriftsatz so rechtzeitig abgibt, dass er einen fristgemäßen Eingang beim zuständigen Gericht mit Sicherheit erwarten darf; den Eingang bei Gericht muss der Anwalt bei rechtzeitiger Absendung grundsätzlich nicht überwachen (siehe aber auch nachfolgend Rdn 61). Grundsätzlich darf eine Partei – sofern dem im Einzelfall keine konkreten Umstände entgegenstehen – darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags – innerhalb der Briefkastenleerungszeiten – aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden; dies gilt selbst dann, wenn – etwa vor Feiertagen – allgemein mit erhöhtem Postaufkommen zu rechnen ist. Wird wegen des Verlustes auf dem Postweg Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt, muss auf der Grundlage einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des Schriftsatzes zur Post glaubhaft gemacht werden, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich des Prozessbevollmächtigten eingetreten ist.
Rz. 61
Nutzt ein Rechtsanwalt zur Übermittlung ein Telefaxgerät, hat er bei ordnungsgemäßer Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übertragung begonnen hat, dass unter gewöhnlichen Umständen mit deren Abschluss vor 24:00 Uhr am Tage des Fristablaufs gerechnet werden konnte; dabei hat der Absender die Belegung des Empfangsgeräts des Gerichts durch andere eingehende Sendungen – insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden – in Rechnung zu stellen und zusätzlich zur eigentlichen Sendedauer eine ausreiche...