a) Allgemeines
Rz. 66
Verjährungsunterbrechende Wirkung kann ein Bußgeldbescheid indessen nur haben, wenn er wirksam zugestellt wurde (OLG Düsseldorf DAR 2004, 41; OLG Brandenburg zfs 2005, 571; OLG Bamberg NZV 2006, 314; OLG Köln DAR 2013, 337; OLG Celle zfs 2016, 110).
Besonders schwere Mängel machen die Zustellung indessen unwirksam (BFH NJW 1969, 1136; OLG Nürnberg NJW 1963, 1207), mit der Folge, dass die an die Zustellung geknüpften Rechtsfolgen – insbesondere Verjährungsunterbrechung – nicht eintreten (OLG Bamberg NZV 2006, 314; Thüringer OLG VRS 108, 272).
Rz. 67
Ein schwerer Mangel liegt z.B. vor, wenn die Zustellungsvorschriften der ZPO, die über § 3 Abs. 2 VwZG Anwendung finden, nicht beachtet sind.
Das gilt auch für Formvorschriften, wie z.B. die Angabe der Geschäftsnummer.
Achtung: Geschäftsnummer
Gemäß § 3 Abs. 1 VwZG muss dem zuzustellenden Schriftstück die Geschäftsnummer der absendenden Behörde zu entnehmen sein, und zwar ohne dass der Adressat das Kuvert öffnen muss. Fehlt die Geschäftsnummer, ist die Zustellung unwirksam, wobei umstritten ist, ob dies auch bei nur teilweise falsch angegebener Geschäftsnummer der Fall ist (verneint von OLG Hamm NZV 2003, 298, bejaht von OLG Koblenz zfs 2004, 285 und AG Stralsund zfs 2004, 381).
Allerdings ist die Verwendung von Kuverts mit Sichtfenstern zulässig, es genügt dann, dass das Geschäftszeichen des Bußgeldbescheides durch das Sichtfenster des Briefumschlages zu sehen ist (OLG Brandenburg NZV 2006, 315; OLG Hamm NZV 2006, 315). Dieses Verfahren entspricht im Übrigen der zu § 190 ZPO ergangenen VO zur Einführung von Vordrucken für die Zustellung im gerichtlichen Verfahren vom 12.2.2002 (ZustVV, BGBl I 2002, S. 671).
b) Persönliche Zustellung
Rz. 68
Grundsätzlich muss dem Adressaten persönlich zugestellt werden.
Nur wenn er nicht angetroffen wird, ist eine Ersatzzustellung in der in der ZPO vorgesehenen Reihenfolge zulässig, so ist z.B. an der Wohnung des Betroffenen eine Ersatzzustellung an einen erwachsenen Mitbewohner oder einen Hausangestellten zulässig.
Rz. 69
Achtung: Wohnung
Der Betreffende hat seine Wohnung nur dort, wo sein Lebensmittelpunkt ist. Unwirksam ist deshalb die Zustellung an eine Adresse, unter der der Betroffene nicht (oder nicht mehr) wohnt (KG VRS 120, 31). Das gilt selbst für den Fall, dass der Betroffene im Anhörungsbogen selbst die Firmenadresse angegeben hatte (OLG Bamberg NZV 2006, 314). Dann kann in der Zustellung an die Firmenadresse auch keine wirksame Ersatzzustellung gesehen werden. Ein missbräuchliches Verhalten des Zustellungsadressaten scheidet in diesen Fällen gleichfalls aus und kann nur unter den in § 179 ZPO normierten Voraussetzungen (Annahmeverweigerung) angenommen werden (OLG Koblenz zfs 2005, 363; AG Eberswalde zfs 2007, 174; Thüringer OLG VRS 108, 272).
c) Ersatzzustellung
Rz. 70
Ein besonders schwerer Mangel liegt vor, wenn die Reihenfolge der in der ZPO vorgesehenen Ersatzzustellungsmöglichkeiten nicht eingehalten wurde, ja bereits, wenn die Zustellungsurkunde hierüber lückenhaft ist, z.B. nicht den Grund für die Ersatzzustellung nennt (OLG Düsseldorf NJW 2000, 3511). So ist z.B. der Einwurf in den Briefkasten oder die Niederlegung bei der Post nach § 181 ZPO nur wirksam, wenn die Urkunde gem. § 182 Abs. 1 Nr. 4 ZPO den vorausgegangenen vergeblichen Zustellungsversuch nach § 178 Abs. 1 S. 3 oder § 180 ZPO dokumentiert. Unwirksam ist eine Zustellung auch, wenn die Behörde mittels eines (die Anforderungen des VwZG nicht erfüllenden) Einwurfeinschreibens zustellen wollte (BVerwG NJW 2001, 458).
Eine Ersatzzustellung gem. § 181 Abs. 1 ZPO ist nur wirksam, wenn das Schriftstück in den zur Wohnung des Betroffenen gehörenden Briefkasten eingeworfen wird (OLG Hamm zfs 2004, 146). Diese Voraussetzungen erfüllt eine Ersatzzustellung durch Einwurf in einen in der Hauseingangstür eines Mehrfamilienhauses angebrachten gemeinsamen Briefeinwurfschlitz (OLG Hamm VRS 94, 109) ebenso wenig wie der Einwurf in einen Briefkasten, der im Zeitpunkt der Zustellung – weil das Schloss beschädigt ist – nicht für eine in der allgemein üblichen Art sichere Aufbewahrung geeignet ist (LG Darmstadt NStZ 2005, 164).
Rz. 71
Achtung: Zustellung in einem Gewerbebetrieb
In einem Gewerbebetrieb kann nur dem Geschäftsinhaber ersatzzugestellt werden, dort ist eine Ersatzzustellung an einen Betroffenen, der nur Arbeitnehmer ist, unwirksam (AG Suhl zfs 2006, 353). Das gilt – entgegen VGH Mannheim (DAR 2018, 468) – auch für Geschäftsführer, die gleichzeitig Inhaber der Firma sind oder auch für einen sonstigen leitenden Angestellten (OLG Bamberg NZV 2006, 314; OLG Celle zfs 2011, 709).