I. § 33 Abs. 1 OWiG: Vier Alternativen, einmalige Unterbrechung
Rz. 23
§ 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nennt vier Unterbrechungshandlungen: die erste Vernehmung des Betroffenen, deren Anordnung oder ihre Bekanntgabe sowie die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist.
Rz. 24
Diese vier Unterbrechungsmöglichkeiten können nur alternativ, nicht kumulativ genutzt werden, so dass die Verjährung nach dieser Vorschrift nur einmal unterbrochen werden kann (OLG Frankfurt DAR 1999, 276; OLG Celle NZV 2001, 88; BGH bei Tepperwien, DAR 2005, 246; OLG Brandenburg DAR 2007, 396; NZV 2008, 108).
Rz. 25
Deshalb entfaltet z.B. die förmliche Vernehmung nach einer an Ort und Stelle durchgeführten mündlichen Anhörung ebenso wenig eine weitere Unterbrechungswirkung wie die Versendung eines zweiten Anhörungsbogens an die gleiche Person (OLG Braunschweig NZV 2008, 108).
Rz. 26
Taktik
Weist der Verteidiger die Polizeibeamten zu Beginn ihrer gerichtlichen Vernehmung auf ihre Verpflichtung hin, im Verdachtsfall von informatorischen Befragungen abzusehen und den Betroffenen ordnungsgemäß zu belehren, werden diese meist behaupten, den Betroffenen bereits am Tatort ordnungsgemäß belehrt zu haben.
Rz. 27
Spätestens darin liegt die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens; die üblicherweise erst später durchgeführte formelle Vernehmung oder die Versendung eines Anhörungsbogens kann dann keine Unterbrechungswirkung mehr haben.
Rz. 28
Tipp: Hinweis genügt
Dazu bedarf es noch nicht einmal einer förmlichen Vernehmung, die erste Unterbrechungshandlung kann z.B. bereits in einem Hinweis des Messbeamten auf die noch vorzunehmende Anhörung liegen (OLG Celle NZV 1998, 423).
II. Unterbrechungswirkung nur, wenn aktenkundig
Rz. 29
Die Unterbrechungshandlung an sich ist an keine bestimmte Form gebunden und kann deshalb auch mündlich vorgenommen werden. Sie muss auch nicht durch die Bußgeldbehörde selbst erfolgen, sondern kann z.B. auch von einem Polizeibeamten und sogar telefonisch vorgenommen werden (OLG Dresden zfs 2005, 572).
Sie braucht auch nicht nach außen in Erscheinung zu treten, namentlich nicht zur Kenntnis des Betroffenen zu gelangen, um als Unterbrechungshandlung wirksam zu sein; sie ist vielmehr ein Internum, das sich an ein Verfolgungsorgan richtet.
Rz. 30
Wirksamkeitsvoraussetzung ist jedoch, dass sich ihre Vornahme aus den Ermittlungsakten ergibt. Die bloße Erinnerung des ermittelnden Beamten reicht hierzu nicht aus (BGHSt 30, 215; OLG Hamburg NZV 1997, 286; OLG Zweibrücken DAR 2002, 89).
Rz. 31
Achtung
Hieran hat die Rechtsprechung des BGH, die einen Bußgeldbescheid auch ohne aktenmäßige Dokumentation der Verfügung des Sachbearbeiters als wirksam ansieht (DAR 1997, 204), nichts geändert. Auf die aktenmäßige Dokumentation der Verfügung des Sachbearbeiters kann der BGH bei Bußgeldbescheiden nämlich nur deshalb verzichten, weil der für den Erlass des Bußgeldbescheides maßgebliche Zeitpunkt anderweitig dokumentiert ist.
Rz. 32
Deshalb entfaltet eine vom Sachbearbeiter (ohne Hilfe eines EDV-Programms) (siehe hierzu Rdn 38) angeordnete Maßnahme verjährungsunterbrechende Wirkung nach wie vor nur, wenn aktenkundig gemacht ist, wer angeordnet hat, und der zuständige Sachbearbeiter durch Unterschrift oder Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit der Beurkundung des Datums übernommen hat (OLG Köln DAR 2000, 131; AG Dortmund zfs 2001, 231; OLG Dresden DAR 2004, 534; OLG Dresden zfs 2005, 572). Im Gegensatz dazu ist das BayObLG (DAR 2004, 531) der Auffassung, das Fehlen einer Unterschrift oder des Handzeichens auf der schriftlichen Anordnung sei entgegen § 33 Abs. 2 OWiG unschädlich, wenn sich der geäußerte behördliche Wille zur Unterbrechungshandlung auf andere Weise sicher feststellen lasse, z.B. durch eine in die Akte aufgenommene nicht unterzeichnete Kopie des polizeilichen Vorladungsschreibens an den Betroffenen, in dem der Vorwurf näher ausgeführt ist.
Rz. 33
Dem kann nicht gefolgt werden, denn einer solchen Kopie kann noch nicht entnommen werden, dass sich der Sachbearbeiter endgültig entschieden hatte.
Rz. 34
Soweit das BayObLG in einer weiteren Entscheidung (DAR 2004, 401) für die Wirksamkeit einer Unterbrechungshandlung nicht verlangt, dass die Aktennotiz für Außenstehende einen Sinn ergibt, so z.B., wenn die Anordnung nur mit einer Ziffernfolge und Handzeichen versehen ist, kann ihm allerdings zugestimmt werden.
III. Anhörungsbogen
Rz. 35
Tipp: Eindeutige Beschuldigung
Nur ein Anhörungsbogen, auf dem der Adressat eindeutig als Beschuldigter zu erkennen ist, unterbricht die Verjährung (OLG Brandenburg DAR 2007, 396). Das ist dann nicht der Fall, wenn dem Halter ein "Anhörungsbogen/Zeugenfragebogen" nur zugestellt wird (OLG Hamm NZV 1998, 34); auch nicht im Fall einer von einem Polizeibeamten in den Briefkasten eingeworfenen "Einbestellung" mit der Bitte um Erscheinen auf der Dienststelle, ohne dass dem Schreiben eine konkrete Beschuldigung zu entnehmen wäre (OLG Koblenz zfs 2014, 170). Ebenfalls keine verjährungsunterbrechende Wirkung hat ein Anhörungsbogen, der zwar mit "Anhörung"...