Rz. 191
Ist dem gerichtlichen Verfahren ein Verwaltungsverfahren vorangegangen, so sind die dort verdienten Gebühren der Nr. 2300 VV nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen.
Rz. 192
Zu beachten ist, dass jeweils nur die entsprechende vorangegangene außergerichtliche Tätigkeit anzurechnen ist:
▪ | In der Hauptsache ist also nur anzurechnen, wenn dort ein Verwaltungsverfahren vorangegangen ist; |
▪ | Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist nur dann anzurechnen, wenn ein entsprechendes behördliches Verfahren vorangegangen ist, etwa wenn zuvor bei der Behörde ein Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO gestellt worden ist. Hier kommt die Anrechnung der im Widerspruchsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr nicht in Betracht.[52] |
Rz. 193
Am besten lässt sich dies anhand folgender Übersicht verdeutlichen:
Rz. 194
Beispiel 85: Anfechtungsklage und Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung mit vorangegangenem Widerspruchsverfahren und behördlichem Aussetzungsantrag
Gegen einen Bescheid (Wert: 5.000,00 EUR) legt der Anwalt Widerspruch ein und beantragt bei der Behörde die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Widerspruch und Aussetzungsantrag werden zurückgewiesen. Anschließend legt der Anwalt Anfechtungsklage ein und stellt gleichzeitig beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Die Aussetzung der sofortigen Vollziehung wird durch Beschluss ausgesprochen (Wert: 1.250,00 EUR). Anschließend wird in der Hauptsache verhandelt.
Das Hauptsache-Verwaltungsverfahren sowie das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung sind zwei verschiedene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 1a RVG), sodass die Gebühren nach Nr. 2300 VV gesondert anfallen.
Darüber hinaus sind Anfechtungsklage und Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO jeweils eigene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 4 Buchst. c) RVG), auf die allerdings die vorangegangenen Geschäftsgebühren der entsprechenden Verwaltungsverfahren nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV anzurechnen sind.
I. | Widerspruchsverfahren | ||
1. | 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV | 501,00 EUR | |
(Wert: 5.000,00 EUR) | |||
2. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 521,00 EUR | ||
3. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 98,99 EUR | |
Gesamt | 619,99 EUR | ||
II. | Anfechtungsklage | ||
1. | 1,3-Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV | 434,20 EUR | |
(Wert: 5.000,00 EUR) | |||
2. | gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, | – 250,50 EUR | |
0,75 aus 5.000,00 EUR | |||
3. | 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV | 400,80 EUR | |
(Wert: 5.000,00 EUR) | |||
4. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 604,50 EUR | ||
5. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 114,86 EUR | |
Gesamt | 719,36 EUR | ||
III. | Behördliches Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung | ||
1. | 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV | 190,50 EUR | |
(Wert: 1.250,00 EUR) | |||
2. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 210,50 EUR | ||
3. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 40,00 EUR | |
Gesamt | 250,50 EUR | ||
IV. | Gerichtliches Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung | ||
1. | 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV | 165,10 EUR | |
(Wert: 1.250,00 EUR) | |||
2. | gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, | – 95,25 EUR | |
0,75 aus 1.250,00 EUR | |||
3. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 89,85 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 17,07 EUR | |
Gesamt | 106,92 EUR |
Rz. 195
Unzulässig wäre es, die im Widerspruchsverfahren angefallene Geschäftsgebühr im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO anzurechnen oder die im behördlichen Verfahren nach § 80 Abs. 4 VwGO angefallene Geschäftsgebühr in Erkenntnisverfahren vor dem Verwaltungsgericht.
Beispiel 86: Widerspruchsverfahren und Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung
Gegen einen Bescheid (Wert: 5.000,00 EUR) legt der Anwalt Widerspruch ein und beantragt beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Die Aussetzung der sofortigen Vollziehung wird durch Beschluss ausgesprochen (Wert: 1.250,00 EUR). Anschließend hilft die Behörde dem Widerspruch ab.
Im Widerspruchsverfahren erhält der Anwalt die Gebühr nach Nr. 2300 VV aus dem Wert der Hauptsache (siehe Rdn 28 f.). Im Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 5 VwGO entsteht die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV aus dem Wert der Eilsache. Eine Anrechnung der im Widerspruchsverfahren angefallenen Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV kommt nicht in Betracht, da beiden Verfahren unterschiedliche Gegenstände zugrunde liegen (siehe Rdn 191 ff.). Die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens wäre nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV auf die Verfahrensgebühr einer Anfechtungsklage anzurechnen gewesen. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen.
I. | Widerspruchsverfahren | ||
1. | 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV | 501,00 EUR | |
(Wert: 5.000,00 EUR) | |||
2. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 521,00 EUR | ||
3. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 98,99 EUR | |
Gesamt | 619,99 EUR | ||
II. | Gerichtliches Verfahren auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung | ||
1. | 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV | 165,10 EUR | |
(We... |
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