Leonie Lehrmann, Walter Krug
Rz. 57
Der Erblasser muss die objektive Beeinträchtigung des Vertragserben auch beabsichtigt haben (subjektive Beeinträchtigung). Es reicht aus, dass die Beeinträchtigung – neben möglicherweise anderen Motiven – gewollt war (so der BGH in seiner neueren Rechtsprechung unter Aufgabe der alten "Aushöhlungsrechtsprechung"). Der BGH hat des Weiteren zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Vertragserben erhebliche Beweisschwierigkeiten obliegen, wenn er die Benachteiligungsabsicht des Erblassers beweisen muss und dass es letztlich darauf ankommt, ob die Schenkung ihrem Inhalt nach darauf gerichtet war, den Erbvertrag zu korrigieren, was dann der Fall sein soll, wenn der Erblasser dem Bedachten ohne lebzeitiges Eigeninteresse Vermögenswerte ohne angemessene Gegenleistung zukommen lässt.
Rz. 58
An das Vorliegen der Benachteiligungsabsicht werden demnach nur sehr geringe Anforderungen gestellt. Es ist nicht erforderlich, dass der Erblasser böswillig handelt, vielmehr genügt sein Wissen darum, dass er durch die unentgeltliche Weggabe das Erbe schmälert. Die Rechtsprechung geht somit von einer weiten Interpretation des Begriffes der Benachteiligungsabsicht aus. Als zusätzliches (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal bedarf es seither jedoch einer Missbrauchsprüfung, bei welcher anhand objektiver Kriterien Rückschlüsse auf die subjektive Einstellung des Erblassers gezogen werden müssen. Die entscheidende Frage lautet hierbei, ob die Schenkung ihrem Gehalt nach auf eine Korrektur des Erbvertrages angelegt war, was dann zu bejahen ist, wenn der Erblasser ohne ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse wesentliche Vermögenswerte anstelle des Bedachten unentgeltlich anderen zugewendet hat.
Der Beschenkte braucht die Beeinträchtigungsabsicht nicht zu kennen. Sie kann jedoch für den Haftungsmaßstab nach § 819 BGB bedeutsam sein. Nicht jede geringfügige Verfügung reicht aus. Der Beschenkte muss quasi ganz oder zum Teil als Vermögensnachfolger des Erblassers angesehen werden können. Allerdings hat es der BGH ausdrücklich offen gelassen, ob es sich um eine wesentliche Vermögensminderung handeln muss.
Rz. 59
Ein berechtigtes Eigeninteresse, das die Beeinträchtigungsabsicht i.S.d. § 2287 Abs. 1 BGB entfallen lässt, kann bei einer Vermögensübertragung unter Lebenden darin bestehen, dass der erbvertraglich gebundene Erblasser im Interesse der Gleichbehandlung der Vertragserben und des Rechtsfriedens einen vermeintlichen Wertverlust bei anderen Vermögensgegenständen ausgleichen und somit dem Erbvertrag Genüge tun will.