Leonie Lehrmann, Walter Krug
a) Schenkungsbegriff
Rz. 14
Der Erblasser muss durch Schenkung verfügt haben. Der Schenkungsbegriff ist derselbe wie bei § 516 BGB, d.h. die Voraussetzungen der objektiven und subjektiven Unentgeltlichkeit müssen vorliegen. Das bedeutet in objektiver Hinsicht, dass der Schenker den Beschenkten durch Zuwendung eines Vermögensgegenstandes bereichert und subjektiv sich beide darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Bei Schenkungen, die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen, § 534 BGB, wird man nicht von einem Missbrauch i.S.v. § 2287 BGB sprechen können; ebenso nicht bei Schenkungen aus persönlichen Rücksichten (siehe hierzu Rdn 60).
Handelt es sich um eine gemischte Schenkung, so müssen sich die Vertragsparteien (des Schenkungsvertrages) über die teilweise Unentgeltlichkeit einig gewesen sein.
b) Gemischte Schenkung
Rz. 15
Auch gemischte Schenkungen können Ansprüche nach § 2287 BGB auslösen. Bei einer gemischten Schenkung müssen sich die Vertragsparteien (des Schenkungsvertrages) über die teilweise Unentgeltlichkeit einig gewesen sein. Von praktischer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Fälle der "belohnenden Schenkung". Davon spricht man, wenn der Beschenkte Vorleistungen erbracht hat, etwa durch Dienste im Haus/Geschäft oder durch Pflege des Schenkers. Das OLG Düsseldorf nennt solche Vorleistungen "vorweggenommene Erfüllungshandlung". Entscheidend für die subjektive Seite einer ganz oder teilweise unentgeltlichen Zuwendung ist der Parteiwille. Der Rechtsgestalter sollte sich deshalb intensiv mit der Problematik und dem zugrunde liegenden Sachverhalt auseinander setzen. Nach der BGH-Rechtsprechung kann der Erblasser ein zunächst als unentgeltlich definiertes Rechtsgeschäft durch einseitige Erklärung nachträglich in ein voll entgeltliches Rechtsgeschäft umwandeln. Und dies ist sogar testamentarisch möglich.
c) Subjektive Äquivalenz
Rz. 16
Die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit eines Rechtsgeschäfts hängt entscheidend von der Bewertung von Leistung und Gegenleistung ab. Ist die Gegenleistung in vollem Umfang werthaltig, so scheidet § 2287 BGB aus, weil es sich in einem solchen Falle um ein voll entgeltliches Rechtsgeschäft handelt. Nach dem von der h.M. und der BGH-Rechtsprechung vertretenen Prinzip der subjektiven Äquivalenz können die Parteien im Rahmen der ihnen zukommenden Privatautonomie den Wert von Leistung und Gegenleistung grundsätzlich selbst bestimmen. Im Bereich von Pflegeleistungen ist nicht die spätere tatsächliche Entwicklung für die Bewertung maßgebend, sondern die Prognoseentscheidung der Parteien anhand einer subjektiven Bewertung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Allerdings kann die Parteiautonomie nicht so weit gehen, dass eine vollkommen fehlende Gegenleistung ersetzt werden oder die Bewertung willkürlich sein könnte.
Rz. 17
Wegen der bekannten praktischen Schwierigkeiten jeder Bewertung im objektiven und subjektiven Sinne ist der BGH dem Problem mit einer Beweislastregel begegnet: Besteht zwischen Leistung und Gegenleistung ein "auffallend grobes Missverhältnis", so wird vermutet, den Parteien sei dies bekannt gewesen und sie seien sich über die teilweise Unentgeltlichkeit auch einig gewesen.
Nur der überschießende unentgeltliche Teil einer gemischten Schenkung kann Gegenstand des Bereicherungsanspruchs nach § 2287 BGB sein.
Rz. 18
Die Auswahl der geeigneten Wertermittlungsmethode steht nach der Rechtsprechung, wenn das Gesetz nicht, wie in § 1376 Abs. 4 BGB (Wert eines landwirtschaftlichen Betriebs im Zugewinnausgleich), die Anwendung eines bestimmten Verfahrens anordnet, im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters.
Rz. 19
Die folgenden Fallbeispiele zur Bewertung von Gegenleistungen mögen zur Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit dienen. Besonders hervorgehoben sei der Beschluss des BGH vom 28.9.2016, in dem sich der BGH sehr klar zu Fragen einer etwaigen Unentgeltlichkeit positioniert hat. Die Entscheidung gibt nicht nur Auskunft über die Bewertung eines Nießbrauchs und den Wert einer Pflegeverpflichtung, sondern betont darüber hinaus die Zweistufigkeit des Herausgabetatbestandes des § 2287 BGB, der zwingend voraussetzt, dass mindestens eine teilweise Unentgetlichkeit festgestellt werden kann.