Leonie Lehrmann, Walter Krug
a) Zwei selbstständige Ansprüche gegen den Beschenkten
Rz. 134
Der vom Erblasser Beschenkte kann sich
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einerseits einem Herausgabeanspruch des bindend eingesetzten Erben gegenübersehen, |
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andererseits auch einem Pflichtteilsergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten aus der Subsidiärhaftung nach § 2329 BGB. |
Im Grundsatz ist jeder dieser Ansprüche ein selbstständiger Anspruch.
b) Ordentlicher Pflichtteil und Ergänzungspflichtteil als zwei selbstständige Ansprüche
Rz. 135
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch steht als selbstständiger Anspruch neben dem Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil. Entscheidend ist nicht, ob der Pflichtteilsberechtigte tatsächlich einen Pflichtteilsanspruch hat oder nicht, sondern vielmehr, ob er zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten des § 2303 BGB gehört oder nicht.
OLG Hamm:
Zitat
"… Die Ausschlagung der Erbschaft ist unschädlich für den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Es reicht aus, dass der Pflichtteilsanspruch des Klägers dem Grunde nach besteht."
Auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist Nachlassverbindlichkeit i.S.v. § 1967 Abs. 2 BGB und richtet sich gegen den Erben, § 1967 Abs. 1 BGB.
Kann der Erbe aus Rechtsgründen für den Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht haftbar gemacht werden (bspw. wg. wirksamer Haftungsbeschränkung), so kann der Beschenkte gem. § 2329 BGB in Anspruch genommen werden.
c) Der Vertragserbe setzt als Erster seinen Herausgabeanspruch durch
Rz. 136
Würde der Vertragserbe als Erster seinen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch gegenüber dem Beschenkten erfolgreich durchsetzen, so wäre Letzterer entreichert und könnte sich gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten wegen des Ergänzungsanspruchs (§ 2329 BGB) auf den Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB berufen.
Auch eine Haftung des bindend eingesetzten Erben käme nicht in Betracht, weil weder der Herausgabeanspruch nach § 2287 BGB noch der erlangte Gegenstand selbst in den Nachlass fällt, wo er einer Pflichtteilsberechnung (§ 2311 BGB) zugrunde gelegt werden könnte.
Rz. 137
Die Lösung dieses Konkurrenzfalls ergibt sich jedoch aus der Gegenüberstellung des Bereicherungsanspruchs des Erben nach § 2287 BGB einerseits und des Bereicherungsanspruchs des Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 BGB andererseits: Der Bereicherungsanspruch des Erben besteht nur in Höhe seiner Beeinträchtigung. Hätte der Erblasser die Schenkung nicht vorgenommen, so befände sich der verschenkte Gegenstand noch im Nachlass und würde gem. § 2311 BGB der Pflichtteilsberechnung zugrunde gelegt.
Deshalb wird der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten auf den Anspruch des Vertragserben angerechnet. Auf diese Weise verbleibt dem Beschenkten so viel, dass er den Ergänzungspflichtteilsanspruch des Pflichtteilsberechtigten erfüllen kann, denn insofern ist der Beschenkte nicht entreichert.
d) Der Pflichtteilsberechtigte setzt als Erster seinen Ergänzungsanspruch durch
Rz. 138
Sollte – umgekehrt – der Pflichtteilsberechtigte gegen den Beschenkten seinen Bereicherungsanspruch als Erster durchgesetzt haben, so steht auch in diesem Falle dem bindend eingesetzten Erben der Differenzbetrag in gleicher Weise zu, wie er ihm zugestanden hätte, wenn dieser seinen Anspruch vor dem Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht hätte, weil nur in Höhe seines verbleibenden Anspruchs seine Erbenposition beeinträchtigt ist.