Leonie Lehrmann, Walter Krug
1. Erweiterung des Schutzes des Vermächtnisnehmers
Rz. 146
Derjenige, dem erbvertraglich ein Vermächtnis zugewandt wurde, soll über die Vorschriften der §§ 2165 (Beseitigung von Belastungen), 2169, 2170 BGB (Verschaffungsvermächtnis) hinaus geschützt werden. Insofern bestehen Ähnlichkeiten zur Schutzvorschrift des § 2287 BGB, die den Schutz der Erberwartung des Vertragserben zum Gegenstand hat. Allerdings reichen die Regelungen des § 2288 BGB in mehrerlei Hinsicht über die des § 2287 BGB hinaus: Nicht nur gegen beeinträchtigende Verfügungen, sondern auch gegen tatsächliche Einwirkungen von Seiten des Erblassers auf den Vermächtnisgegenstand wird der Vertragsvermächtnisnehmer geschützt.
Wenn der Erblasser in der Absicht gehandelt hat, den Vermächtnisnehmer zu beeinträchtigen, so stehen diesem Ersatzansprüche gegen den Erben zu bei
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Zerstörung |
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Beiseiteschaffen |
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Beschädigung |
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entgeltlicher Veräußerung |
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unentgeltlicher Veräußerung |
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entgeltlicher Belastung |
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unentgeltlicher Belastung |
des Vermächtnisgegenstandes.
Rz. 147
Auf das bindend gewordene gemeinschaftliche Testament ist § 2288 BGB ebenso entsprechend anwendbar wie § 2287 BGB.
2. Lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an einer Verfügung über den vermachten Gegenstand
Rz. 148
Der Erblasser kann auch an einer Verfügung über den vermachten Gegenstand zu Lebzeiten ein Eigeninteresse haben mit der Folge, dass Ansprüche des Vermächtnisnehmers aus § 2288 BGB nicht in Betracht kommen.
Der BGH zu der Frage, wann ein solches lebzeitiges Eigeninteresse nicht zu bejahen ist:
Zitat
"Für eine Beeinträchtigungsabsicht des erbvertraglich gebundenen Erblassers spricht im Fall des § 2288 II 1 BGB bereits die Veräußerung des vermachten Gegenstandes in dem Bewußtsein, daß damit dem Vermächtnis der Boden entzogen wird und daß die Gegenleistung für die Veräußerung keinen Ersatz für den Vermächtnisnehmer darstellt. Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers kann nur bejaht werden, wenn sich das Interesse des Erblassers gerade auf die Veräußerung des Vermächtnisgegenstands richtete und der erstrebte Zweck nicht auch durch andere wirtschaftliche Maßnahmen zu erreichen gewesen wäre (im Anschluß an BGH NJW 1984, 731 = LM § 2288 BGB Nr. 4)."
3. Verhältnis zum Verschaffungsvermächtnis
Rz. 149
Eine Vermächtnisanordnung ist unwirksam, wenn der vermachte Gegenstand beim Erbfall nicht mehr zum Nachlass gehört und wenn der Erblasser auch nicht wollte, dass der Gegenstand dem Bedachten verschafft werden solle, § 2169 Abs. 1 BGB. Die Vorschriften zum Verschaffungsvermächtnis, §§ 2169, 2170 BGB, gelten sowohl für das einseitig verfügte Vermächtnis als auch für das erbvertragliche. Nur für das erbvertraglich oder testamentarisch bindend angeordnete Vermächtnis gilt zusätzlich der Schutz des § 2288 BGB. Der Erblasser kann über den Vermächtnisgegenstand frei unter Lebenden verfügen, § 2286 BGB. Im Interesse des Vertragsvermächtnisnehmers beugt § 2288 BGB dem Fall vor, dass der Erblasser trotz des bestehenden bindenden Erbvertrags sich durch Zerstörung, Beschädigung oder Beiseiteschaffen des vermachten Gegenstandes seiner vertraglichen Bindung entzieht.