Leonie Lehrmann, Walter Krug
1. Überblick
Rz. 10
Nach der BGH-Rechtsprechung geht es um eine Missbrauchskorrektur. Dabei wird eine Abwägung vorgenommen zwischen den Erbaussichten des (Vertrags-) oder Testaments-Erben einerseits und den Interessen des Erblassers andererseits an einer gerechtfertigten Verfügung zu seinen Lebzeiten. Weiter muss eine objektive Beeinträchtigung der Position des Vertragserben hinzukommen.
Voraussetzungen für das Bestehen eines bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs gem. § 2287 BGB sind:
1. |
Der Erblasser muss durch Schenkung verfügt haben. |
2. |
Schenkung nach Abschluss des Erbvertrags bzw. nach Eintritt der Bindung beim wechselbezüglichen Testament; |
3. |
Objektive Beeinträchtigung; |
4. |
Beeinträchtigungsabsicht; |
5. |
Missbrauch der Verfügungsfreiheit. |
Rz. 11
Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 2287 Abs. 1 BGB muss zwischen dem Vorliegen einer Schenkung einerseits und der Absicht des Erblassers, den Vertragserben zu beeinträchtigen andererseits unterschieden werden. Nur wenn tatsächlich eine Schenkung vorliegt, kann eine etwaige Beeinträchtigungsabsicht relevant und damit der Anwendungsbereich des § 2287 BGB eröffnet sein. Es handelt sich um zwei selbständie Tatbestandsvoraussetzungen, die unabhängig voneinander vorliegen müssen. So offensichtlich dieser Umstand erscheint, so häufig werden diese beiden Voraussetzungen einer Anwendbarkeit des § 2287 BGB gleichwohl vermischt.
Rz. 12
Hatte der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Verfügung unter Lebenden, so scheidet ein Anspruch nach § 2287 BGB aus.
Nach ständiger Rechtsprechung besteht ein solches lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers, "wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Beweggründe des Erblassers in Anbetracht der gegebenen Umstände so sind, dass der erbvertraglich Bedachte sie anerkennen und seine Benachteiligung durch die Verfügung des Erblassers hinnehmen muss".
Rz. 13
Das OLG Frankfurt/M. schränkt aber ein:
Zitat
"Will der Erblasser die in einer bindend gewordenen Verfügung von Todes wegen enthaltene Vermögensverteilung nachträglich anders regeln, ohne dass sich die tatsächlichen Umstände seit Errichtung der Verfügung geändert haben, so fehlt in der Regel das eine Schenkung zum Nachteil des Bedachten rechtfertigende lebzeitige Eigeninteresse (BGHZ 59, 343 = NJW 1973, 240), wenn andere Motive des Erblassers nicht durchschlagen."
2. Verfügung durch Schenkung
a) Schenkungsbegriff
Rz. 14
Der Erblasser muss durch Schenkung verfügt haben. Der Schenkungsbegriff ist derselbe wie bei § 516 BGB, d.h. die Voraussetzungen der objektiven und subjektiven Unentgeltlichkeit müssen vorliegen. Das bedeutet in objektiver Hinsicht, dass der Schenker den Beschenkten durch Zuwendung eines Vermögensgegenstandes bereichert und subjektiv sich beide darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Bei Schenkungen, die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen, § 534 BGB, wird man nicht von einem Missbrauch i.S.v. § 2287 BGB sprechen können; ebenso nicht bei Schenkungen aus persönlichen Rücksichten (siehe hierzu Rdn 60).
Handelt es sich um eine gemischte Schenkung, so müssen sich die Vertragsparteien (des Schenkungsvertrages) über die teilweise Unentgeltlichkeit einig gewesen sein.
b) Gemischte Schenkung
Rz. 15
Auch gemischte Schenkungen können Ansprüche nach § 2287 BGB auslösen. Bei einer gemischten Schenkung müssen sich die Vertragsparteien (des Schenkungsvertrages) über die teilweise Unentgeltlichkeit einig gewesen sein. Von praktischer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Fälle der "belohnenden Schenkung". Davon spricht man, wenn der Beschenkte Vorleistungen erbracht hat, etwa durch Dienste im Haus/Geschäft oder durch Pflege des Schenkers. Das OLG Düsseldorf nennt solche Vorleistungen "vorweggenommene Erfüllungshandlung". Entscheidend für die subjektive Seite einer ganz oder teilweise unentgeltlichen Zuwendung ist der Parteiwille. Der Rechtsgestalter sollte sich deshalb intensiv mit der Problematik und dem zugrunde liegenden Sachverhalt auseinander setzen. Nach der BGH-Rechtsprechung kann der Erblasser ein zunächst als unentgeltlich definiertes Rechtsgeschäft durch einseitige Erklärung nachträglich in ein voll entgeltliches Rechtsgeschäft umwandeln. Und dies ist sogar testamentarisch möglich.
c) Subjektive Äquivalenz
Rz. 16
Die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit eines Rechtsgeschäfts hängt entscheidend von der Bewertung von Leistung und Gegenleistung ab. Ist die Gegenleistung in vollem Umfang werthaltig, so scheidet § 2287 BGB aus, weil es sich in einem solchen Falle um e...