Rz. 25
Die Ermittlung des tatsächlichen Praxiswertes ist sowohl für den Erwerber als auch für den Veräußerer von elementarer Bedeutung. Während der Erwerber nicht zu viel bezahlen möchte, möchte der ausscheidende Verkäufer einen Großteil seiner Altersversorgung über den Kaufpreis gesichert wissen. Bedauerlicherweise existieren nicht selten große Diskrepanzen in den Vorstellungen und Erwartungen, was den tatsächlichen Wert des Praxenanteils anbelangt. Nicht selten warten die Veräußerer zu lange mit dem Veräußerungsvorgang, was sich stets nachteilig auf den Kaufpreis auswirkt.
Üblicherweise wird heute bei der Bemessung des Wertes gefordert, das Ertragswertverfahren (IDWS 1) anzuwenden. Bei kleinen und mittelständischen Kanzleien und Praxen liefert das Ertragswertverfahren (IDWS 1) jedoch nur eigeschränkt verwertbare Ergebnisse. Stattdessen wird von der Rechtsprechung das Sachwertverfahren angewendet. Unter Ärzten ist daneben noch die sogenannte Ärztekammer-Methode zur Bestimmung des Wertes weit verbreitet.
Rz. 26
Bei der Ärztekammermethode wird der Wert aus einer Addition der materiellen Praxisgüter (Ausstattung, Wert der medizinischen Geräte etc.), also der Sachwert ermittelt. Hinzu kommt ein sogenannter "Good Will". Hier finden Faktoren wie Patientenstamm und der Ruf der Praxis Berücksichtigung. Dabei kann der Good Will der Praxis in der Regel erst dann bewertet werden, wenn die Arztpraxis mindestens drei bis fünf Jahre besteht. In der Praxis wird der "Good Will" dann nicht selten in Größenordnungen zwischen 80 bis 120 Prozent des durchschnittlichen Umsatzes festgesetzt bzw. festgelegt.
Rz. 27
Nachteil der Ärztekammermethode ist, dass lediglich eine Bewertung der Vergangenheit vorgenommen wird, wohingegen das Ertragswertverfahren (IDWS 1) zukunftsbezogen ist. Auf Basis der Einnahmen-Überschussrechnung der Vergangenheit wird beim Ertragswertverfahren versucht, eine Zukunftsprognose zu entwickeln. Abgestellt wird nicht auf die Umsätze, sondern auf die erzielten Gewinne. Im Ertragswertverfahren wird weiter versucht, zu ermitteln, inwieweit die Gewinne der Vergangenheit auf die Zukunft projiziert werden können. Die Standards und Grundsätze des IDW S1 werden vom IDW Institut der Wirtschaftsprüfer (Düsseldorf) regelmäßig aktualisiert und veröffentlicht.
Rz. 28
Neben der Ärztekammermethode existiert auch ein Leitfaden zur Bewertung von Rechtsanwaltskanzleien herausgegeben von der Bundesrechtsanwaltskammer. Nach Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer soll sich der Kaufpreis einer Kanzlei aus zwei Komponenten zusammensetzen: Zum einen aus dem Substanzwert (bestehend aus Einrichtung, Forderungen und Verbindlichkeiten) sowie zum anderen aus dem Kanzleiwert. Bei dem Kanzleiwert wiederum handelt es sich (ähnlich wie bei dem Good Will der Ärztekammermethode) um die persönliche Komponente des Kanzleiverkäufers. Berücksichtigung finden der bereinigte Ist-Umsatz sowie sämtliche weiteren Einkommensquellen (wie z.B. Amt als Testamentsvollstrecker, Aufsichtsratsmandate etc.), welche an die Person des Verkäufers gebunden sind und de facto nicht aus der Haupttätigkeit des Rechtsanwalts resultieren. Daneben existiert bei der Bundesrechtsanwaltskammer ein Ausschuss zur Bewertung von Anwaltskanzleien. Bzgl. des Überganges eines Notariats gilt grundsätzlich, dass ein Notar der vorsorgenden Rechtspflege in Form eines öffentlichen Amts tätig ist. Das führt im Ergebnis dazu, dass eine Notarstelle nicht nachfolgefähig ist. Das Substrat des Notariats ist die persönliche Notarbefugnis, die bei Erlöschen das bisherige Notariat auflöst. Auch aus der Übernahme von Personal und Mietflächen kann kein Betriebsübergang hergeleitet werden. Die Neuerteilung einer Notarbefugnis stellt allenfalls eine Funktionsnachfolge und keinen Betriebsübergang dar.
Rz. 29
Am 6.3.2017 hat das Präsidium der Bundessteuerberaterkammer aktualisierte Hinweise für die Ermittlung des Wertes einer Steuerberatungskanzlei beschlossen. Diesen Hinweisen zufolge will man sich nicht auf ein allgemein gültiges Verfahren zur Bewertung von Steuerberatungskanzleien festlegen oder einigen. Erläutert werden indes in den Hinweisen das Umsatzverfahren als ein vereinfachtes Preisbindungsverfahren sowie das Ertragswertverfahren. Diese Hinweise sollen jedoch ausdrücklich keinen verbindlichen Charakter haben.
Rz. 30
Inzwischen kaum noch von Bedeutung ist das Substanzwertverfahren. Bei diesem Verfahren wird die Substanz der Praxis bzw. der Kanzlei aus der Summe der Wiederbeschaffungswerte aller zur Praxis bzw. Kanzlei gehörigen Vermögensgegenstände, abzüglich Schulden oder aber sonstiger Verbindlichkeiten festgestellt. Wesentlicher Kritikpunkt dieses Verfahrens ist, dass es nicht auf Zukunftsorientierung, sondern vielmehr auf die Vergangenheit eines Unternehmens gerichtet ist. Auch die Zivilgerichte haben die Anwendung des Substanzwertverfahrens inzwischen aufgegeben.
Wird eine Kanzlei oder eine Praxis indes nur aufgelö...