Rz. 22
Rechtlich betrachtet unterscheidet sich der Verkauf einer Praxis bzw. Kanzlei nicht von einem normalen Unternehmensverkauf. Auch in diesem Fall liegt ein Kaufvertrag nach dem BGB vor. Zu beachten sind bei einem solchen Verkauf jedoch die standesrechtlichen Besonderheiten, insbesondere die Pflicht zur Verschwiegenheit des Arztes, Steuerberaters und Anwalts (mehr unter Datenschutz/Zustimmungserfordernis siehe Rdn 23). Motive für einen vollständigen Verkauf der Praxis bzw. Kanzlei können zum Beispiel sein, dass der Verkäufer mit dem Verkauf endgültig seinen Beruf niederlegt, oder aber, im Wege des Verkaufs, seine Praxis an eine größere Ärztegemeinschaft bzw. Rechtsanwaltsgesellschaft übergeht, welche bereit ist, für den Mandanten- bzw. Patientenstamm eine höheren Preis als den tatsächlichen Marktpreis zu zahlen.
Als Kaufvarianten sind sowohl der Share Deal als auch der Asset Deal möglich. Besteht der Kaufgegenstand aus einem Sozietäts- oder Praxenanteil, so wird in der Regel der Verkauf als Share Deal ausgestaltet werden. Es werden die tatsächlichen unternehmenstragenden Positionen in einer Gesellschaft als eine Einheit verkauft. Ver- bzw. gekauft wird ein Gesellschaftsanteil (ausführlich zur steuerlichen Betrachtung eines Share bzw. Asset Deal siehe § 7 Rdn 165 ff.). Beim Verkauf eines Sozietäts- oder Anwalts-GmbH-Anteils dürfte dies die häufigste Form des Verkaufs sein. Beim Asset Deal werden einzelne Positionen selektiv erworben. Beim Verkauf einer ganzen Praxis bzw. Kanzlei dürfte diese Form des Kaufs in der Regel ausscheiden. Zur Verdeutlichung: Bei einem Asset Deal muss jeder Kaufgegenstand (Wirtschaftsgut = engl. assets) einzeln aufgelistet werden. Der Vorteil eines Asset Deals liegt darin, dass nicht sämtliche Verbindlichkeiten und bestehenden Verträge mit Dritten mit erworben werden müssen. Vielmehr werden Gegenstände selektiv erworben. Der Nachteil liegt schlicht und einfach darin, dass nicht aufgelistete Gegenstände einer Praxis bzw. Kanzlei auch nicht erworben werden.
1. Datenschutz/Zustimmungserfordernis
Rz. 23
Bei allen lebzeitigen (Teil-)Übertragungen ist zu beachten, dass bei den meisten freiberuflichen Praxen ein Zustimmungserfordernis der Patienten bzw. Mandanten bzgl. der Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten besteht. Dabei handelt es sich keineswegs um eine reine Formalie. Wird dieses Zustimmungserfordernis nicht eingehalten, so ist die Übertragungsverpflichtung insbesondere bei Ärzten wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam. Wird ein solcher Übertragungsvertrag geschlossen, so liegt des Weiteren ein Verstoß gegen das informelle Selbstbestimmungsrecht der Patienten vor. Darüber hinaus verstößt der Arzt gegen seine ärztliche Schweigepflicht.
Rz. 24
Praxistipp
Die oben dargestellte Rechtsprechung des BGH führt in der Praxis zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten, was die Übertragung einer Praxis oder Kanzlei zu Lebzeiten angeht. Eine Möglichkeit, diese Schwierigkeit zu meistern ist es, den Übernehmer der Praxis bzw. Kanzlei, vor der eigentlichen Übertragung nach außen hin mit in die Praxis bzw. Kanzlei einzubinden. In welcher Rechtsform dies erfolgt (BGB-Gesellschaft oder aber eine freie Mitarbeit) ist dabei zunächst nicht relevant. Wichtig ist jedoch, dass der Übernehmer nach außen hin für Patienten bzw. Mandanten (auf dem Briefkopf und auf dem Praxisschild) sichtbar wird. Denn bei zeitweise bestehender Außensozietät zwischen Erwerber und Veräußerer ist grundsätzlich nicht nur von der Erstreckung der Mandatsverhältnisse auf den neuen Inhaber, sondern auch von einer Einwilligung der Mandanten in die Aktenherausgabe an diesen auszugehen. Neben dem praktisch äußerst relevanten Faktor, dass der neue Anwalt (Übernehmer) seinen eigenen Mandantenstamm kennenlernt, wird so gleichsam eine nicht zu unterschätzende Hürde in der Übergabe an den Nachfolger überwunden.
2. Bemessung des Kaufpreises
Rz. 25
Die Ermittlung des tatsächlichen Praxiswertes ist sowohl für den Erwerber als auch für den Veräußerer von elementarer Bedeutung. Während der Erwerber nicht zu viel bezahlen möchte, möchte der ausscheidende Verkäufer einen Großteil seiner Altersversorgung über den Kaufpreis gesichert wissen. Bedauerlicherweise existieren nicht selten große Diskrepanzen in den Vorstellungen und Erwartungen, was den tatsächlichen Wert des Praxenanteils anbelangt. Nicht selten warten die Veräußerer zu lange mit dem Veräußerungsvorgang, was sich stets nachteilig auf den Kaufpreis auswirkt.
Üblicherweise wird heute bei der Bemessung des Wertes gefordert, das Er...