I. Nationales Recht
Rz. 11
In den Grenzen seiner Gerichtsbarkeit (siehe oben Rdn 4 ff.) bestimmt jeder Staat die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte durch nationales Recht grundsätzlich frei. Eine vorgegebene internationale Zuständigkeitsordnung gibt es – soweit kein Gemeinschaftsrecht (siehe unten Rdn 13 ff.) und keine völkerrechtlichen Vereinbarungen (siehe unten Rdn 20 ff.) vorhanden sind – nicht.
Rz. 12
Die ZPO regelt die internationale Zuständigkeit – jedenfalls was das Unfallhaftpflichtrecht angeht – nicht ausdrücklich und unmittelbar, sondern grundsätzlich nur mittelbar durch stillschweigende Verweisung auf die Vorschriften über den Gerichtsstand (§§ 12 ff. ZPO): Soweit nach diesen Vorschriften ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, ist es nach deutschem Recht auch international, d.h. im Verhältnis zu ausländischen Gerichten, zuständig. Insoweit wird auf § 25 Rdn 47 ff. verwiesen.
II. Gemeinschaftsrecht
Rz. 13
Die vorstehende allgemeine Regel wird indes durch zahlreiche vorrangige Bestimmungen verdrängt. Für Klagen gegen Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (EU) haben, ergab sich die internationale Zuständigkeit – ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien – seit dem 1.3.2002 aus der zum sekundären Gemeinschaftsrecht gehörenden und damit in den Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Dänemark, Art. 1 Abs. 3 EuGVVO a.F.) unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 (EuGVVO a.F.) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Art. 2, 3 EuGVVO a.F.).
Rz. 14
Am 12.12.2012 wurde die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Neufassung (EuGVVO), verkündet, die ab dem 10.1.2015 die EuGVVO a.F. für grenzüberschreitende Sachverhalte ersetzt hat (Art. 80, 81 EuGVVO). Bei den im Unfallhaftpflichtrecht wesentlichen allgemeinen und besonderen Gerichtsständen waren dabei keine Änderungen zu verzeichnen, anders dagegen beim Rechtsschutz für Verbraucher und Arbeitnehmer (Art. 18 Abs. 1, 21 Abs. 2 EuGVVO). In Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen ist ferner eine gerichtliche Hinweispflicht auf die Folgen einer rügelosen Einlassung eingeführt worden (Art. 26 Abs. 2 EuGVVO), siehe dazu unten Rdn 43 f. Weitere Änderungen betrafen die Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen (Art. 25 Abs. 1, 29 Abs. 1, 31 Abs. 2 EuGVVO, siehe unten Rdn 46 ff.) sowie die Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, vor allem die Abschaffung des Exequaturverfahrens. Insbesondere infolge der Aufnahme von Begriffsbestimmungen (Art. 2, 3 EuGVVO) haben sich die nachfolgenden Vorschriften teilweise verschoben; eine hilfreiche Entsprechungstabelle findet sich im Anhang III der EuGVVO. Soweit die beiden Verordnungen inhaltlich übereinstimmen, bleibt die Auslegung der EuGVVO a.F. – und des EuGVÜ (siehe unten Rdn 19) – durch den EuGH für die Neufassung gültig (siehe auch Erwägungsgrund Art. 34 S. 2 EuGVVO).
Rz. 15
Die EuGVVO findet, sofern der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, auch dann Anwendung, wenn der Kläger aus einem Drittstaat stammt. Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats – grundsätzlich – nach dessen eigenen Gesetzen (Art. 6 EuGVVO). Die Wendung "kein Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats" ist allerdings dahin zu verstehen, dass die Anwendung der innerstaatlichen anstelle der einheitlichen Zuständigkeitsvorschriften nur dann zulässig ist, wenn das angerufene Gericht über beweiskräftige Indizien verfügt, die den Schluss zulassen, dass ein beklagter Unionsbürger, der im Mitgliedstaat dieses Gerichts keinen Wohnsitz hat, einen solchen tatsächlich außerhalb des Unionsgebiets hat.
Rz. 16
Zur Vereinbarung der Zuständigkeit durch Parteien aus Drittstaaten siehe unten Rdn 50, 45, 45 und 45. Die Vorschriften der EuGVVO a.F. waren ferner nur auf solche Klagen anzuwenden, die nach deren Inkrafttreten erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO a.F.; Art. 63 Abs. 1 LugÜ II); dabei kommt es grundsätzlich für die direkte internationale Zuständigkeit (siehe oben Rdn 1, 3, 3 und 3) auf den Beitritt des jeweiligen Mitgliedstaates – d.h. das Inkrafttreten des jeweiligen Beitrittsübereinkommens – an. Die Vorschriften der Neufassung der EuGVVO sind nur auf Ve...