Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
a) Allgemeines
Rz. 42
Die Oder-Konten (Gemeinschaftskonten mit Einzelverfügungsrecht) sind in der Kreditwirtschaft der Regelfall. Beim Oder-Konto kann jeder Kontoinhaber allein verfügen.
b) Erbfall und Verfügungsbefugnis
aa) Aus Sicht der Bank
Rz. 43
War der Erblasser Mitinhaber eines Oder-Kontos, gilt dieselbe Rechtsfolge, wie wenn der Erblasser Inhaber eines Einzelkontos gewesen wäre. Durch den Tod eines Oder-Berechtigten übernimmt dessen Erbe kraft Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB dessen rechtliche Stellung und wird somit Mitkontoinhaber.
bb) Aus Sicht des Erben
Rz. 44
Der Erbe eines Oder-Berechtigten tritt mit dessen Tod im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB in dessen Rechtsposition ein und kann dessen Rechte in demselben Umfang geltend machen, wie sie bisher dem verstorbenen Mitkontoinhaber zustanden. Nach erbrechtlicher Legitimation gegenüber der Bank kann der Erbe entgegen landläufiger Meinung nicht verlangen, dass das Oder-Konto in ein Und-Konto umgewandelt wird. Es ist in jedem Fall das konkrete Girovertragsvertragsverhältnis abzuklären, da ein Umwandlungsverlangen meistens ausgeschlossen ist, jedoch bei einigen Banken/Sparkassen als zulässig angesehen wird (ca. 5–10 %). Es bleibt nur die Kündigung.
cc) Aus Sicht des überlebenden Oder-Kontomitinhabers
Rz. 45
Der überlebende Mitkontoinhaber hat naturgemäß ein Interesse daran, dass sein Anteil an der Einlagenforderung durch Verfügungen des Erben des verstorbenen Mitkontoinhabers nicht geschmälert wird. Er hat zwar Ansprüche nach § 812 BGB für den Fall, dass der Erbe des verstorbenen Mitkontoinhabers mehr als seinen Anteil an der Einlageforderung abverfügen sollte, jedoch geht sein Interesse mehr auf Sicherung.
Rz. 46
Entscheidend ist, ob der überlebende Oder-Berechtigte allein das Oder-Konto auflösen oder auf sich umschreiben lassen kann. In den meisten Formularen ist die Berechtigung zur Kontoauflösung durch den überlebenden Mitkontoinhaber in den besonderen Bedingungen zum Gemeinschaftskonto aufgenommen.
Rz. 47
Das Rangverhältnis "Recht des Erben zur Umwandlung des Oder-Kontos in ein Und-Konto" und "Recht des überlebenden Mitkontoinhabers zur Auflösung" ist nur aufgrund des konkret vorliegenden jeweiligen Girovertragsverhältnisses zu lösen und wer ist schneller.
c) Erbfall
Rz. 48
Im Zivilrecht wird das Oder-Konto der Rechtsform der Gesamtgläubigerschaft gemäß § 428 BGB zugerechnet. Eine solche Gesamtgläubigerschaft ist immer dann gegeben, wenn mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt sind, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner – hier die Bank – aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist. Dabei ergibt sich aus der rechtsgeschäftlichen Gestaltung des Oder-Kontos in Abweichung zu der Bestimmung des § 428 BGB die Besonderheit, dass die Bank in jedem Falle verpflichtet ist, an denjenigen zu leisten, der die Leistung von ihr verlangt. Auch wenn die nicht-amtliche Überschrift des § 428 BGB "Gesamtgläubiger" darauf schließen lassen könnte, dass hier der Inhaber einer Forderung angesprochen sein soll, so zeigen die nachfolgenden Bestimmungen im BGB, dass der Gesetzgeber genau dies nicht ausdrücken wollte. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass es nur um die Berechtigung zur Forderung einer Leistung geht, wobei offenbleibt, wem das Recht materiell-rechtlich zusteht. § 428 BGB spricht damit lediglich die Verfügungsbefugnis an, regelt jedoch nichts hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft. Dies wird bestätigt durch § 430 BGB, denn das Gesetz gibt dort für den Fall der Aufhebung einer Gesamtgläubigerschaft lediglich eine obligatorische Ausgleichsforderung (ohne z.B. mit dinglicher Wirkung für die Vergangenheit einen Erwerbsvorgang zu fingieren).
Auswirkungen des Eherechts:
Die in § 430 BGB normierte Ausgleichspflicht wird indes zu Recht zwischen Ehegatten während des Bestehens der ("intakten") ehelichen Lebensgemeinschaft als konkludent ausgeschlossen angesehen. Dies ist wichtig bei Erbengemeinschaft vs. überlebender Ehepartner und für das notarielle NVZ.