Dr. iur. Berthold Hilderink
Rz. 319
Die Änderungskündigung besteht aus zwei zu unterscheidenden Willenserklärungen: Der Kündigende spricht zum einen eine "normale" (ordentliche/außerordentliche) Beendigungskündigung aus, die den gesamten Arbeitsvertrag betrifft, und verbindet mit dieser zum anderen das Angebot, das Arbeitsverhältnis (nach Ablauf der Kündigungsfrist/ab sofort) zu – in einem oder in mehreren Punkten – geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen (im Einzelnen zur Änderungskündigung vgl. § 25 Rdn 1 ff.). Nimmt der Arbeitnehmer dieses Angebot bei Geltung des KSchG unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung an, so erstreckt sich diese Prüfung sowohl auf die soziale Rechtfertigung einer Änderung der bestehenden Arbeitsbedingungen überhaupt als auch auf die Zumutbarkeit des konkreten Änderungsangebotes. Erweist sich eine der beiden Willenserklärungen als sozial ungerechtfertigt/unzumutbar, ist die Änderungskündigung insgesamt rechtsunwirksam.
Rz. 320
Eine Änderungskündigung ist grds. wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unwirksam, wenn der Arbeitgeber die mit ihr angestrebte Änderung erreichen kann, indem er sein Direktionsrecht oder einen vorbehaltenen Widerruf ausübt (sog. überflüssige Änderungskündigung; BAG v. 28.4.1982 – 7 AZR 1139/79, NJW 1982, 2687 = BB 1983, 1413 = DB 1982, 1776).
Rz. 321
Eine Änderungskündigung ist auch dann unwirksam, wenn durch sie mehrere Arbeitsbedingungen geändert werden sollen und nur ein Teil des Änderungsangebotes sozial nicht gerechtfertigt ist. Denn die Kündigung als einheitliche Erklärung des Arbeitgebers ist nicht teilbar; eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 3.1.1988 – 14 Sa 95/87, n.v.).
Rz. 322
Liegen die sonstigen Voraussetzungen vor, ist eine Umdeutung der unwirksamen Kündigungserklärung in eine rechtlich weniger weitreichende bloße Weisung bzw. eine Ausübung des Widerrufes nicht unmöglich. Für die materielle Wirksamkeit der Weisung/des Widerrufes ist § 315 BGB zu beachten.
Rz. 323
Der umgekehrte Fall, d.h. eine Umdeutung eines Widerrufes oder einer Weisung i.R.d. Direktionsrechtes in eine Änderungskündigung, ist nicht möglich. Abgesehen davon, dass dem Arbeitgeber in solchen Fällen regelmäßig schon der Wille fehlen wird, auch nur als ersten Schritt eine Beendigung des gesamten Arbeitsverhältnisses auszusprechen, läge darin eine für den Arbeitnehmer sehr viel weiter reichende belastende Folge. I.Ü. würde eine solche Umdeutung ggf. die Anhörung/die Beteiligung des Betriebsrates/des Personalrates und/oder die Zustimmung des Integrationsamtes voraussetzen.
Rz. 324
Das mit der Beendigungskündigung verbundene Vertragsangebot kann unwirksam sein, weil dem Arbeitnehmer die ihm angesonnenen Vertragsänderungen als solche unzumutbar sind – etwa weil die mittels der Änderungskündigung beabsichtigte Lohnsenkung unzumutbar weit reicht, oder etwa weil die beabsichtigte Versetzung in einen weit entfernten Ort unzumutbar und eine Versetzung in einen näheren Ort möglich ist. Die Umdeutung des unzumutbaren in ein inhaltlich "gerade noch" zumutbares Vertragsangebot ist ausgeschlossen. Eine solche geltungserhaltende Reduktion durch die Gerichte widerspricht dem Prinzip der Vertragsfreiheit (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 3.1.1988 – 14 Sa 95/87, n.v.). Den Inhalt eines bestimmten Vertragsangebotes zu bestimmen und über dessen Annahme zu entscheiden, liegt in der Autonomie der Vertragsparteien. I.Ü. würde eine solche Geltungserhaltung in aller Regel rein spekulative Annahmen über den mutmaßlichen Willen des Arbeitgebers voraussetzen, auf jeden Fall ein zumutbares Änderungsangebot unterbreiten zu wollen. Der Arbeitgeber muss stattdessen erneut eine Änderungskündigung mit einem – von ihm selbst gestalteten – zumutbaren Änderungsangebot aussprechen, wenn er weiterhin eine Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen beabsichtigt.