Dr. iur. Berthold Hilderink
1. Angebot zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses
Rz. 300
Daneben kommt die Umdeutung einer unwirksamen fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers in ein Angebot zur sofortigen einvernehmlichen und zweiseitigen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Nimmt der Arbeitgeber das Angebot an, endet das Arbeitsverhältnis kraft Aufhebungsvertrages (BAG v. 13.4.1972 – 2 AZR 243/71, BB 1972, 1094 = DB 1972, 1784 = AP Nr. 64 zu § 626 BGB; LAG Hamm v. 17.2.1995 – 10 Sa 1126/94, n.v.; LAG Düsseldorf v. 24.11.1995 – 17 Sa 1181/95, n.v.). Voraussetzung für die Umdeutung ist dabei, dass es dem aus der Sachlage und dem Zweck seines Handelns abzuleitenden mutmaßlichen Willen des Arbeitnehmers entspricht, auch im Fall und bei Kenntnis der Unwirksamkeit seiner Kündigung mit sofortiger Wirkung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu wollen.
Rz. 301
Für eine wirksame Annahme des durch Umdeutung gewonnenen Aufhebungsangebotes durch den Arbeitgeber reicht es nicht, dass dieser die Kündigung lediglich "akzeptiert". Erforderlich ist vielmehr, dass er das Bewusstsein hat, mit einem bestimmten Verhalten oder mit bestimmten Äußerungen eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung abzugeben, und dass ein entsprechender Geschäftswille auch zum Ausdruck kommt. Andernfalls wäre die Annahme einer Bereitschaft zur sofortigen Vertragsaufhebung durch den Arbeitgeber eine unzulässige Fiktion. Vom Vorliegen des erforderlichen Erklärungsbewusstseins und Geschäftswillens wiederum kann nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber die Unwirksamkeit der Kündigung erkannt hat und er einem mutmaßlichen Willen des Arbeitnehmers zur sofortigen Beendigung des Vertrages entsprechen will (BAG v. 13.4.1972, BB 1972, 1094). Daran dürfte es jedenfalls dann fehlen, wenn der Arbeitgeber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung an der vermeintlichen Wirksamkeit der fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers festhält (so LAG Düsseldorf v. 24.11.1995 – 17 Sa 1181/95, n.v.).
Rz. 302
Praktisch bedeutsamer dürfte in der heutigen Zeit die Umdeutung einer wegen § 9 Abs. 1 MuSchG unwirksamen Kündigung sein. Gem. § 9 Abs. 1 MuSchG ist die Kündigung ggü. einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zzt. der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Allerdings kommt auch hier eine Umdeutung nur ganz ausnahmsweise in Betracht. Die unwirksame Kündigung des Arbeitgebers kann nur dann in ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages umgedeutet werden, wenn sich zum einen der Arbeitgeber der möglichen Unwirksamkeit seiner Kündigung bewusst war und seine Willenserklärung jedenfalls hilfsweise als Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages verstanden wissen wollte und die Arbeitnehmerin sich ihrerseits bewusst gewesen ist, dass sie eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung abgeben kann und will und zudem ihre Zustimmung auf der gleichen Urkunde erklärt hat. Es reicht indes nicht aus, wenn sich die Arbeitnehmerin auf einer anderen Urkunde mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt, da für § 126 BGB im Unterschied zu § 127 BGB der Austausch einseitiger Erklärungen nicht ausreichend ist (BGH v. 28.11.1993, NJW-RR 1994, 280, 281; Staudinger/Oetker, § 623 BGB Rn 60).
2. Anfechtungserklärung
Rz. 303
Fraglich ist, ob eine unwirksame Kündigung in eine Anfechtungserklärung umgedeutet werden kann (zur Anfechtung des Arbeits-/Dienstvertrags vgl. § 18 Rdn 30 ff.). Auch diese Problematik kann sich insb. dann stellen, wenn die ausgesprochene Arbeitgeberkündigung wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG nichtig ist.
Rz. 304
Die Umdeutung des Ausspruches einer unwirksamen ordentlichen, fristgerechten Kündigung in eine Anfechtungserklärung scheitert indes daran, dass dies bedeuten würde, ein nichtiges Rechtsgeschäft – die ordentliche Kündigung – durch ein Rechtsgeschäft mit weiter gehenden Folgen für den Kündigungsadressaten zu ersetzen (BAG v. 14.10.1075, NJW 1976, 592; ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn 63). Die Anfechtung würde zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – wenn auch nur ex nunc (vgl. § 18 Rdn 53 f.) – führen. Die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses hat die gleiche Wirkung wie eine außerordentliche Kündigung. Ebenso wenig wie in diese kann die Erklärung einer ordentlichen fristgerechten Kündigung deshalb in eine Anfechtung umgedeutet werden (BAG v. 14.10.1975 – 2 AZR 365/74, NJW 1976, 592 m.w.N.).
Rz. 305
I.Ü. ist zur vorangegangenen Problematik zu beachten, dass die Unkenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin in aller Regel ohnehin keine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (§ 119 Abs. 2 BGB) rechtfertigt, weil Eigenschaften im Sinne dieser Vorschrift nur solche sind, die der Person auf Dauer anhaften, eine Schwangerschaft aber ihrer Natur nach nur vorübergehend ist (BAG v. 8.6.1955, AP MuSchG, § 9 Nr. 2; BAG v. 6.2.1992 – 2 AZR 408/91, NZA 1992, 790). Regelmäßig kann...