Dr. Stephan Pauly, Dr. Stephan Osnabrügge
Rz. 8
Zum 1.7.2019 stellt der Gesetzgeber die bisherige Gleitzonenregelung um, ohne dabei aber die bisherige Idee des gleitenden Übergangs der Arbeitnehmerbeiträge von der geringfügigen in die regulär sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu Lasten des Arbeitgebers aufzugeben. Die neue Rechtslage unterscheidet sich von dem bislang geltenden Recht letztlich in nur vier Punkten:
1. |
Die bisherige Gleitzone heißt fortan Übergangsbereich. Die Definition findet sich nach wie vor in § 20 Abs. 2 SGB IV. |
2. |
Der Übergangsbereich wird gegenüber der Gleitzone nach oben erweitert. Er beginnt wie bisher bei einem Bruttomonatsgehalt von 450,01 EUR, endet aber künftig erst bei 1.300 EUR je Monat (bislang bereits bei 850 EUR). |
3. |
Der rentenversicherungsrechtliche Nachteil, nach dem die Rentenansprüche nur auf Basis des fiktiv verminderten Bemessungsentgelts berechnet wurden, fällt weg. |
4. |
Infolge dessen betrifft die Meldepflicht des Arbeitgebers ab 1.7.2019 nicht mehr nur das verminderte fiktive, sondern auch das tatsächliche Arbeitsentgelt an die Einzugsstelle. |
Rz. 9
Im Einzelnen stellt sich die Midi-Job-Regelung mit Wirkung ab 1.7.2019 wie folgt dar:
I. Allgemeines
Rz. 10
Nach wie vor gilt, dass ein Midi-Job-Arbeitsverhältnis ein reguläres Arbeitsverhältnis ist. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bestehen nicht. Wendet man auf die Obergrenze des Übergangsbereichs (1.300 EUR/Monat) den gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz an, so steht lediglich fest, dass es sich bei einem Midi-Job stets um ein Teilzeitarbeitsverhältnis handelt (derzeit – 2019 – max. rd. 32,5 Std./Woche bei Mindestlohn 9,19 EUR/Std.).
Rz. 11
In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht ist eine Midi-Job insbesondere keine geringfügige Beschäftigung nach § 8 SGB IV. Es besteht uneingeschränkte Sozialversicherungspflicht. Auch ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag im Vergleich zum regulären Arbeitsverhältnis unverändert. Unterschiede zu regulär sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen ergeben sich ausschließlich aus der leicht abweichenden "Aufbringung der Mittel" – so die Gesetzesüberschrift zu § 20 SGB IV – also aus der Verteilung der Beitragslast.
Rz. 12
Nachdem die Rentenversicherungsansprüche ab 1.7.2019 aus dem tatsächlichen Gehalt berechnen werden, bedarf es der bislang oft verwendeten Verzichtserklärungen i.S.v. § 163 Abs. 10 S. 6 und 7 SGB VI künftig nicht mehr. Die Option ist obsolet und die Sätze 6 und 7 werden deshalb aus der gesetzlichen Regelung in § 163 Abs. 10 SGB VI entfernt. Die Verzichtsoption hatte das alleinige Ziel, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu eröffnen, den aus der fiktiven Verminderung der Beitragsbemessungsgrundlage resultierenden Rentenversicherungsnachteil auszugleichen. Dieser Nachteil tritt künftig nicht mehr auf.
II. Anwendungsvoraussetzungen
Rz. 13
Ein Arbeitsverhältnis wird ohne weitere im Übergangsbereich abgerechnet, wenn das Arbeitsentgelt aus einer mehr als geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV regelmäßig 1.300 EUR im Monat nicht übersteigt, § 20 Abs. 2 Hs. 1 SGB IV n.F. Das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt muss also zwischen 450,01 EUR und 1.300 EUR liegen. Einer gesonderten Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf es für die Anwendung der Regelungen zum Übergangsbereich nicht.
Rz. 14
Dabei ist das regelmäßige Arbeitsentgelt nach denselben Grundsätzen zu ermitteln, die auch für die Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts bei geringfügig entlohnter Beschäftigung gelten. Insbesondere ist wie dort mittels Prognose zu ermitteln, ob das Arbeitsentgelt auf Dauer einschließlich der zu erwartenden Einmalzahlungen und sonstigen Umstände durchschnittlich innerhalb der Gleitzone verbleiben wird. Insoweit kann auf die Ausführungen zur entgeltgeringfügigen Beschäftigung verwiesen werden (oben § 27 Rdn 21 ff.).
Rz. 15
Die Prognose kann im Einzelfall dazu führen, dass zwar das durchschnittliche Arbeitsentgelt innerhalb des Übergangsbereichs liegen wird, dass die Ober- bzw. Untergrenze des Übergangsbereichs aber in einzelnen Monaten über- bzw. unterschritten werden wird. Nach Auffassung der Rentenversicherung zur bisherigen Gleitzone kann die Beitragsberechnung für diese Monate nicht nach der gesetzlichen Regelung zum Übergangsbereich erfolgen, sondern ist der Beitragsbemessung (auch der Berechnung des Arbeitnehmeranteils) sowohl bei Unterschreitung als auch bei Überschreitung der Grenzen des Übergangsbereichs das tatsächliche Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Das mag für Monate der Überschreitung der Obergrenze akzeptabel sein, doch überzeugt diese Praxis nicht für den Fall der Unterschreitung der Entgeltgeringfügigkeitsgrenze, weil dann der gering vergütete Arbeitnehmer weder von den Geringfügigkeitsregelungen noch von den Regelungen zum Übergangsbereich profitiert, sein Arbeitsverhältnis also in dem betreffenden Monat weder als Minijob noch als Midi-Job abgerechnet wird. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber dieses Problem l...