Mallory Völker, Monika Clausius
a) PAS
Rz. 21
Das PA-Syndrom (vgl. auch § 1 Rdn 288 und § 2 Rdn 181) kann die Änderung einer Sorge- oder Umgangsregelung begründen. Wird durch einen Elternteil das Umgangsrecht des anderen vereitelt und kann – da auch im Verfahren nach § 1696 Abs. 1 BGB der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist – durch mildere Mittel, wie etwa Ordnungsmittel eine Umgangspflegschaft (§ 1684 Abs. 3 S. 3–6) oder eine Auflage an den das Umgangsrecht boykottierenden Elternteil, das Kind psychotherapeutischer Behandlung zuzuführen, keine Abhilfe geschaffen werden, so kann ein Sorgerechtswechsel zum anderen Elternteil in Erwägung gezogen werden.
Rz. 22
Lehnt das betroffene Kind den anderen Elternteil aber massiv ab, wird dies regelmäßig kein gangbarer Weg sein. Eine Fremdunterbringung wird schon deswegen kaum in Betracht kommen, weil in aller Regel die damit verbundenen Folgen für das Kind jedenfalls nicht minder schlimm sein werden als die im Falle eines Verbleibs beim Obhutselternteil samt dann ausbleibendem Umgang. Der Weg sollte daher – insbesondere, wenn eine Umgangspflegschaft scheitert – über Ordnungsmittel gehen (siehe dazu § 6 Rdn 30 ff.).
b) Verhalten bei der Sorgerechtsausübung
Rz. 23
Für eine Übertragung einer bestehenden Alleinsorge eines Elternteils auf den anderen genügt es nicht schon, dass der sorgeberechtigte Elternteil es an der erforderlichen Aktivität bei der Ausübung der elterlichen Sorge fehlen lässt. Die Grenze wird allerdings dort erreicht, wo durch das passive Verhalten eines Elternteils ein Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung Schaden zu nehmen droht. Der Verpflichtung, das Kind zu erziehen und zu pflegen, kommt der sorgeberechtigte Elternteil nicht ausreichend nach, wenn er etwa ärztliche Behandlungsanordnungen zu Lasten des Kindes nicht befolgt oder er ein sprachgestörtes Kind nicht schulen lässt. In diesen Fällen kann eine Abänderung der Sorgerechtsentscheidung geboten sein. Gleiches gilt, wenn ein Elternteil die Kinder derart eng an sich bindet, dass sie keine Möglichkeit der eigenständigen Entwicklung haben oder generell eine gewaltfreie Erziehung nicht gewährleistet werden kann. Gründe im Sinne des § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB liegen aber nicht vor, wenn der allein sorgeberechtigte Elternteil das Kind gegen den Willen des nicht mehr sorgeberechtigten Elternteils einem vertretbaren Gesundheitsrisiko – wie z.B. dem Besuch einer Schule, an der ein drahtloser Internetzugang (WLAN) betrieben wird – aussetzt.
Zu den Fallkonstellationen, in denen der betreuende Elternteil konsequent die Umgangskontakte des Kindes mit dem anderen Elternteil hintertreibt und durch sein Verhalten die eigenständige Entwicklung des Kindes verhindert, siehe Rdn 21 f.).
c) Wiederheirat; neue sexuelle Orientierung
Rz. 24
Die Heirat des Sorgeberechtigten mit einem schwer vorbestraften Dritten kann einen Abänderungsgrund nach § 1696 BGB darstellen, wobei insoweit jedoch eine nähere Einzelfallbewertung geboten ist.
Die Wiederheirat der bislang nicht betreuenden Mutter, in deren Zusammenhang sie ihre bisherige Erwerbstätigkeit aufgibt, konnte nach überkommener Auffassung ein Grund für eine Sorgerechtsänderung sein, wenn die Sorge für ein Kleinkind ursprünglich gerade wegen der Berufstätigkeit der Mutter auf den Vater übertragen worden war. Diese Auffassung ist abzulehnen. Der Gesetzgeber erkennt ausweislich § 1570 BGB in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung für Kinder ab drei Jahren keinen Vorrang der persönlichen Betreuung mehr an. Hat das Kind engere Bindungen an den berufstätigen Elternteil, so müssen diese berücksichtigt werden.
Einer Änderung der Sorgerechtsentscheidung zugunsten des Vaters steht nicht entgegen, dass dieser sich zwischenzeitlich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat. Gleiches gilt, wenn ein Elternteil seine sexuelle Orientierung ändert.
Rz. 25
Heiraten die geschiedenen Eltern einander wieder, so werden die Regelungen nach § 1671 BGB ebenso wie ein Verfahren nach § 1696 BGB gegenstandslos. Eine nach § 1666 BGB angeordnete Vormundschaft oder Pflegschaft bleibt dagegen bestehen.
Wurde der nichtehelichen Mutter bereits unmittelbar nach der Geburt des Kindes gemäß § 1666 BGB die elterliche Sorge entzogen, so erlangt der Vater des Kindes weder durch Heirat mit der Mutter noch durch spätere Sorgeerklärung das Sorgerecht. Vielmehr muss zunächst gemäß § 1696 Abs. 2 BGB die Entscheidung über den Sorgerechtsentzug aufgehoben werden.