Rz. 60

Abgesehen von den in § 1 Abs. 3 (Eingangssatz) AÜG bezeichneten – oftmals in der Praxis nicht relevanten – Vorschriften findet das AÜG innerhalb desselben Konzerns keine Anwendung, soweit die Bereichsausnahme aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG einschlägig ist. Das AÜG gilt hiernach nicht zwischen Konzernunternehmen i.S.d. § 18 AktG, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Dies gilt insbesondere für die Kernvorschriften des AÜG rund um die Höchstüberlassungsgrenze, den Grundsatz der Gleichstellung, das Konkretisierungsgebot sowie die Erlaubnispflicht. Die Abgrenzung zwischen der Arbeitnehmerüberlassung und den freien Dienst- und Werkverträgen verliert in diesen Fällen zumindest ein Stück weit ihren Schrecken, weil das stark regulative AÜG auch dann nicht anwendbar ist, wenn der Fremdpersonaleinsatz widererwartend tatbestandlich mit einer Arbeitnehmerüberlassung einhergeht, obwohl z.B. ursprünglich eine Zusammenarbeit in Form eines Dienst- oder Werkvertrags geplant war. Ebenso ermöglicht das Konzernprivileg den beteiligten Unternehmen von Beginn an tatbestandlich auf die Arbeitnehmerüberlassung zurückzugreifen, ohne zugleich die starken regulativen Vorgaben dieses Gesetzes beachten zu müssen. Historischer Hintergrund der Bereichsausnahme für die Konzernüberlassung aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG ist der pragmatische Befund des deutschen Gesetzgebers, dass bei der Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen nur der konzerninterne Arbeitsmarkt der beteiligten Gesellschaften betroffen ist. Eine arbeitsmarkrelevante soziale Gefährdung des (Leih-)Arbeitnehmers ist aus Sicht des deutschen Gesetzgebers hier nicht gegeben. Die Anwendung des AÜG würde im Gegenteil eine bürokratische Förmlichkeit für die Unternehmen darstellen.[96]

 

Rz. 61

Das Konzernprivileg vermag die aus dem AÜG resultierenden zivilrechtlichen und bußgeldrechtlichen Risiken eines Fremdpersonaleinsatzes aber nicht vollkommen auszuschließen. Zum einen ist die Bereichsausnahme tatbestandlich nur dann einschlägig, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Zum anderen wird verbreitet die Vereinbarkeit der deutschen Bereichsausnahme mit dem Unionsrecht angezweifelt.

[96] BT-Drucks 10/3206, 33.

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