Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. Sebastian Krülls
Rz. 94
Eine Matrixstruktur ist – anders als die Arbeitnehmerüberlassung und der gemeinsame Betrieb – kein gesetzlich vorgesehenes Instrument, sondern eine in ganz unterschiedlichen Formen denkbare mehrgliedrige Organisationsform aus der Konzern- und Unternehmenspraxis. Der Begriff der Matrixstruktur ist gesetzlich weder definiert noch existiert ein einheitliches Begriffsverständnis. Aus diesem Grund kann es auch nicht "die eine Abgrenzung" zur Arbeitnehmerüberlassung oder zum gemeinsamen Betrieb geben. Insgesamt stellt der Begriff der Matrixstruktur nicht selten einen eher pauschalen Oberbegriff für in der Praxis vollkommen unterschiedliche Modelle dar. In ihrer einfachen zweidimensionalen Ausprägung zeichnet sich die Matrix durch zwei Hierarchieebenen aus, die sich wiederum als Zeilen- und Spaltenelemente innerhalb eines Mehrliniensystems darstellen lassen. Klassisch für die rechtsträgerübergreifende Matrixstruktur ist z.B. die Gliederung mehrerer zusammenarbeitender Unternehmen – im Regelfall eines Konzerns – in verschiedenen Funktionen (z.B. Produktion, Vertrieb, Entwicklung, IT) und Geschäftsbereiche oder Regionen. Prägend im hier interessierenden Kontext ist wiederum eine Doppelstellung in der Leitungsebene. Diese führt dazu, dass die Berichtswege und Weisungsstrukturen in der Matrix regelmäßig nicht den gesellschaftsrechtlichen Grenzen der jeweiligen Unternehmen entsprechen. Ein oder mehrere Matrixmanager sind vielmehr verantwortlich für eine rechtsträgerübergreifende Organisationseinheit, teilweise Matrixzelle genannt. Diese Organisationseinheit zeichnet sich dadurch aus, dass sie rechtsträgerübergreifend funktioniert und geleitet wird. Ist bspw. die IT in einer Matrix organisiert, führen Mitarbeiter der "obersten" IT-Gesellschaft eines Konzerns (oft der Konzernmutter) die IT-Belegschaft in diversen Beteiligungsunternehmen – sei es im In- oder Ausland. Der Matrixmanager (und damit Vorgesetzter auch für Mitarbeiter) ist seinerseits i.d.R. nicht Teil des Unternehmens, für das er (mit-)verantwortlich ist. Arbeitsrechtlich zeichnet sich die Matrixstruktur somit durch eine mehrgliedrige, rechtsträgerübergreifende Weisungsstruktur aus. Das gilt in arbeitsrechtlich relevanter Weise insbesondere dann, wenn der Matrixmanager seine Leitungsfunktion gegenüber ihm zugeordneter Arbeitnehmer anderer Unternehmen nicht nur durch eine Anweisung der für dieses Unternehmen gesellschaftsrechtlich verantwortlichen Stellen (etwa dem Vorstand oder der Geschäftsführung), sondern durch direkte Anweisungen der darin tätigen Arbeitnehmer ausübt. Zumeist wird dabei in der Matrix nur das fachliche Weisungsrecht an die Matrixleitung delegiert, wobei das disziplinarische Weisungsrecht beim Vertragsarbeitgeber verbleibt. Dies ließe sich indes anders gestalten, wobei die Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung gem. § 613 BGB der Übertragung aller Arbeitgeberfunktionen an einen Dritten (und sei es im Konzern) Grenzen setzt.
Die in der Matrix tätigen Arbeitnehmer werden durch diese Form des "Durchregierens" "zum Diener zweier Herren". Sie haben sowohl die Weisungen ihres Vertragsarbeitgebers zu befolgen als auch diejenigen der für sie verantwortlichen Matrixmanager. In der Praxis sind sowohl organisatorisch ausdifferenzierte Matrixstrukturen zu beobachten, aber auch "losere" rechtsträgerübergreifende Weisungsstrukturen, bei denen technische Begriffe wie "Matrixzelle" und "Matrixmanager" von den jeweiligen Protagonisten nicht zwingend verwendet werden. Abgrenzungsprobleme zum gemeinsamen Betrieb stellen sich in der Praxis zumindest im Regelfall nicht, weil der Matrixmanager bzw. die anweisende rechtsträgerfremde Führungskraft in den weit überwiegenden Fällen nur das fachliche Weisungsrecht ausübt, die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten aber weiterhin allein vom Vertragsarbeitgeber wahrgenommen werden.