Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. Sebastian Krülls
Rz. 13
Zum Einsatz von Fremdpersonal im Betrieb durch den Abschluss von Werk- oder Dienstverträgen (auch bekannt unter dem Begriff "On-Site-Werkverträge") gibt es im Gegensatz zur Zeitarbeit bis heute keine regelmäßig erhobenen repräsentativen Zahlen. Die Bundesagentur für Arbeit führt über die Anzahl der Werkvertragsvergaben keine Statistik. Dies liegt daran, dass die Kosten einer Auftragsvergabe per Werkvertrag überwiegend nicht als Personal-, sondern als Sachkosten eines Unternehmens gebucht werden. Im Gegensatz zum Einsatz von Leiharbeitnehmern besteht keine Meldepflicht bei der Bundesagentur für Arbeit, so dass diese über kein unmittelbar auswertbares Datenmaterial verfügt. Trotz der demnach fehlenden systematischen Erfassung werden immer wieder von Interessenvertretern sowie politischen Akteuren angeblich repräsentative Fakten ins Spiel gebracht.
Eine Erhebung der Hans-Böckler-Stiftung, die für sich keine Repräsentativität in Anspruch nimmt und teilweise auch nur mit geschätzten Werten arbeitet, versucht einen Abbau der Leiharbeit zugunsten von Werkverträgen aufzuzeigen. Bereits die statistischen Zahlen lassen aber eine entsprechende Schlussfolgerung nicht zu. So verzeichnen die nur geschätzten Zahlen zwar einen nominalen Anstieg von Werkverträgen und Solo-Selbstständigkeit, während die Leiharbeit angeblich schon seit 2003 leicht zurückgegangen sein soll. Unabhängig davon, dass sich die angeblichen Zahlen zur Leiharbeit nicht mit denen der Bundesagentur für Arbeit decken, bleibt der prozentuale Anteil der Werkverträge an der gesamten Erwerbstätigkeit konstant bei 6 %. Inwiefern hieraus ein Trend zu einer Ersetzung der Leiharbeit gerade durch Werkverträge ableitbar sein soll, bleibt insbesondere angesichts des Anstiegs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung rätselhaft.
Nicht verständlich ist es zudem, dass die Reform verabschiedet wurde, ohne die vom BMAS im Jahre 2015 in Auftrag gegeben groß angelegte ökonomische Untersuchung zur Verbreitung, Nutzung und möglichen Probleme von Werkverträgen abzuwarten. Äußerst unbefriedigend ist, dass die Neuregelung ohne jede Kenntnis der Rechtstatsachen auf den Weg gebracht wurde. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat die nicht auf empirische Grundlagen gestützten gesetzgeberischen Aktivitäten zu Recht scharf kritisiert. Die Annahme, dass Werkvertragsbeschäftigte grundsätzlich gegenüber Arbeitnehmern bzw. Leiharbeitnehmern benachteiligt würden, wird weder durch bis zur Reform durchgeführten Studien noch durch die nach Verabschiedung des Gesetzes veröffentlichten Studien des BMAS oder des IAB bestätigt. Ausschließliche Befragungen der Betriebsräte sind für seriöse wissenschaftliche Studien über tatsächliche Missbräuche in etwa so hilfreich wie Umfragen, die nur Arbeitgeber einbeziehen. Sie entsprechen nicht den sozialwissenschaftlichen Anforderungen an aussagekräftige Untersuchungen.
Die genannten Studien bestätigen im Gegenteil, dass das wichtigste Motiv für die Vergabe von Werkverträgen nicht die Lohnersparnis ist, sondern der Einsatz von Fachpersonal, über das die Betriebe nicht verfügen, weil es sich entweder bei der Tätigkeit nicht um ihr Kerngeschäft handelt oder Fachkräftemangel herrscht. Zwar werden auch Kostenreduzierungsaspekte genannt, aber nicht die kritisierten Ersparnisse über Dumping-Löhne, die angeblich aktuell den Werkvertragsarbeitnehmern gezahlt werden, sondern die Kosteneinsparung, die sich bei der Personalsuche, im Einstellungsprozess, bei der Bindung von qualifiziertem Personal an den Betrieb und in der Personalverwaltung ergibt. Im Prinzip werden die Arbeitsbedingungen (inklusive der Vergütung) von Werkvertragskräften im Vergleich zum Stammpersonal nicht als schlechter, sondern wenn nicht als grundsätzlich gleich, sogar als tendenziell besser eingestuft.