Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. Sebastian Krülls
Rz. 25
Die Regelungen des § 611a BGB sowie § 1 AÜG führen, wie bereits erörtert (siehe § 2 Rdn 14), zu keiner erhöhten Rechtssicherheit. Es bleibt also weiterhin Aufgabe der Unternehmen, die Arbeiten in Rahmen von Werk oder Dienstverträgen erledigt wissen wollen, die entsprechenden Vorkehrungen gegen eine Einstufung als Zeitarbeit zu treffen und dabei die Indizien, die für oder gegen eine Arbeitnehmerüberlassung sprechen, auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zu bewerten.
Die Kriterien für diese Abgrenzung sind entsprechend der dargestellten zweistufigen Prüfung zunächst anhand der Würdigung des Vertrages über die Dienstleistung (im Folgenden Rdn 26 ff.) und sodann aufgrund einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Beschäftigung unter Berücksichtigung der Kriterien von § 1 AÜG i.V.m. § 611a BGB (im Folgenden Rdn 29 ff.) zu gewinnen.
I. Allgemeine Anforderungen an die vertragliche Vereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (Dienstleister)
1. Person des eingesetzten Arbeitnehmers
Rz. 26
Mit Blick auf die Würdigung des Dienstleistungsvertrages ist zu beachten, dass sich ein zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbarter Dienst- oder Werkvertrag regelmäßig dadurch auszeichnet, dass es dem Dienstleister überlassen bleibt, welchen seiner Arbeitnehmer und wie viele Personen er zur Vertragserfüllung einsetzt. Dies gilt jedenfalls bei einfachen, insbesondere bei handwerklichen Tätigkeiten, bei denen ein besonderes Knowhow nicht erforderlich ist. So hat das LAG Hamm als Indiz für eine (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung den Umstand herangezogen, dass der für Reinigungsarbeiten vorgesehene Arbeitnehmer dem Auftraggeber bereits vor Vertragsschluss persönlich vorgestellt wurde.
Anders ist die Situation beim Angebot von hoch spezialisierten Beratungsleistungen, wie sie etwa von IT-Unternehmen gegenüber Banken und Versicherungen erbracht werden. Hier kann es sein, dass einzelne Berater oder Beratungsteams sich einen besonders guten Ruf erarbeitet haben, etwa, weil sie in ähnlicher Funktion (bei der Analyse vergleichbarer Risiken) bereits bei einem anderen Unternehmen tätig waren. Dann liegt es aus Sicht des Auftraggebers nahe, darauf zu drängen, dass eben diese Mitarbeiter auch in dem neuen Beratungsmandat eingesetzt werden. Das ist schon deshalb unbedenklich, weil diese Mitarbeiter die Expertise des Beratungsunternehmens und damit bis zu einem gewissen Grad auch das Beratungsunternehmen selbst und dessen immateriellen Geschäfts- oder Firmenwert verkörpern. Ein Indiz für eine bloße Überlassung von Personal ist der Wunsch nach namentlich bezeichneten Mitarbeitern in diesen Fällen nicht.
Praxishinweis
Gegen die Annahme eines Werk- oder Dienstvertrages kann es sprechen, wenn das eingesetzte Personal personalisiert ist und es dem Auftraggeber gerade auf das Tätigwerden konkreter Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers ankommt. Ein Werk- bzw. Dienstvertrag zeichnet sich regelmäßig dadurch aus, dass es dem Dienstleister überlassen bleibt, welchen seiner Mitarbeiter und wie viele er zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen einsetzt. Etwas Anderes gilt beim Einsatz von hochqualifizierten Fachleuten, auf deren bekannte Expertise der Auftraggeber besonderen Wert legt.
2. Abgrenzbares, abnahmefähiges und dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbares Werk
Rz. 27
Für die Abgrenzung der Leiharbeit vom Werk- oder Dienstvertrag soll nach der Rechtsprechung entscheidend sein, ob ein abgrenzbares, abnahmefähiges und dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbares Werk vertraglich vereinbart ist und dies auch der tatsächlichen Durchführung entspricht. Fehle es hieran, so komme ein Werkvertrag kaum in Betracht, weil der "Auftraggeber" durch weitere Weisungen den Gegenstand der vom "Auftragnehmer" zu erbringenden Leistung erst bestimmen und damit Arbeit und Einsatz erst bindend organisieren müsse.
Diese Aussage ist zumindest missverständlich, weil – wie bereits eingehend dargelegt wurde – die Personalgestellung ebenso gut auf der Grundlage eines Dienstvertrages erfolgen kann. Richtig ist damit lediglich, dass der Umstand, dass die Parteien die zu erledigende Aufgabe und den Umfang der Arbeiten im Vertrag konkret festgelegt haben, im positiven Sinne für das Vorliegen eines Werkvertrags sprechen kann. Muss der Auftraggeber erst durch weitere Weisungen den Gegenstand der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistung näher bestimmen und damit Arbeit und Einsatz bindend organisieren, spricht dies gegen einen Werkvertrag. Auch kann die Übernahme von anderen als im Vertrag als Werkleistung vereinbarten Tätigkeiten während des Vertragslaufs gegen einen Personaleinsatz auf der Grundlage eines Werkvertrages sprechen. Die arbeitsrechtliche Relevanz dieser Umstände ist indes begrenzt. Selbst wenn nach diesen Grundsätzen ein Werkvertrag ausscheidet, so liegt deshalb die Annahme von Arbeitnehmerüberlassung noch bei weitem nicht nahe. Das Ergebnis der rechtlichen Begutachtung kann ebenso gut sein, dass die Vereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer als nicht erfolgsorientierter Dienstvertrag zu qualifizieren ist. Der Umstand, dass ein abnahmefähige...