Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. Sebastian Krülls
Rz. 18
Auch wenn die Regelung in § 611a BGB durch das Ziel der Bekämpfung von Missbräuchen beim Einsatz von Werkverträgen motiviert ist, gibt diese Regelung allenfalls mittelbar etwas für die Abgrenzung der Personalgestellung aufgrund eines Werkvertrages von der Leiharbeit her. Die dort verankerte Definition des Arbeitnehmerbegriffs betrifft nämlich nur einen Teilaspekt der in diesem Kontext vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung. Die Abgrenzung hat, wie die grafische Darstellung der Dreiecksbeziehung unter Rdn 15 verdeutlicht, in einem zweistufigen Verfahren zu erfolgen:
(1) Ausgangspunkt ist zunächst die Vereinbarung zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer. Sie muss bei der Personalgestellung auf der Grundlage eines Dienst- oder Werkvertrages auf die Erbringung einer Dienstleistung gerichtet sein, wobei als Vertragstyp frei entweder ein Dienst- oder ein Werkvertrag gewählt werden kann. Das bedeutet zugleich, dass der Auftraggeber über eine gewisse Expertise auf dem Gebiet des Gegenstands der Dienstleistung verfügen muss. Je stärker schon der Vertragsinhalt darauf hindeutet, dass es nicht um eine zumindest allgemein umschriebene Sachleistung geht, sondern nur um die Überlassung von Personal, desto eher liegt schon nach den Vereinbarungen der Sache nach Zeitarbeit vor. Allerdings ist dabei den neuen Organisationsformen Rechnung zu tragen, wie sie insbesondere im Projektgeschäft eingesetzt werden.
(2) Auf der zweiten Stufe ist sodann danach zu fragen, wie der Werk- oder Dienstvertrag umgesetzt worden ist. Anders formuliert geht es bei diesem Schritt um die rechtliche Überprüfung, ob der Arbeitnehmer des Dienstleisters tatsächlich wie ein Erfüllungsgehilfe oder aber wie ein Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Bei der Personalgestellung aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages wird die Personalhoheit über die als Erfüllungsgehilfen eingesetzten Arbeitnehmer gerade nicht auf den Auftraggeber übertragen.
Auf dieser zweiten Stufe kommen zwar im Ergebnis sämtliche Kriterien des § 611a BGB zum Tragen. Systematisch korrekt verortet ist die Prüfung allerdings nicht im BGB, sondern im AÜG. Schließlich geht es nicht um die Frage, ob der eingesetzte Mitarbeiter überhaupt Arbeitnehmer ist, sondern ausschließlich um die Kontrolle, ob er nicht "verdeckt" als Zeitarbeitnehmer beschäftigt wird. Der Gesetzgeber hat diese systematische Zuordnung durchaus erkannt und dementsprechend in das AÜG eine parallele Neuregelung aufgenommen (dazu im Folgenden Rdn 19 ff.), die allerdings unzureichend mit § 611a BGB abgestimmt ist.