Dr. iur. Pierre Plottek, Malte Masloff
Rz. 31
Auf der Grundlage von Vollmachten (§§ 164 ff. BGB) kann der Erblasser außerhalb erbrechtlicher letztwilliger Verfügungen Vorkehrungen für den Todesfall treffen. In der Praxis sollte der Rechtsberater dieses Gestaltungsmittel daher immer in Erwägung ziehen. Dabei kann der Umfang der Vollmacht ganz unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Erteilung der Vollmacht durch den Erblasser kann gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber einem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, erfolgen (§ 167 BGB). Dabei genügt es, dass die abgegebene bevollmächtigende Willenserklärung nach dem Tode des Vollmachtgebers zugeht (arg. § 130 Abs. 2 BGB).
Praxishinweis
Vollmachten können auch im Rahmen letztwilliger Verfügungen vorgesehen werden. Dabei ist die Abgrenzung zur Testamentsvollstreckung zu beachten. Nach der Testamentseröffnung ist für einen unverzüglichen Zugang der Willenserklärung bezüglich der Bevollmächtigung zu sorgen. Erst dann wird die Vollmacht wirksam.
Der Bevollmächtigte gibt seine Willenserklärung im Namen des Erblassers ab. Nach § 1922 BGB wirkt die Erklärung daher auch für und gegen die Erben. Der Vertretene bleibt nach § 137 S. 1 BGB zur eigenen Rechtswahrnehmung berechtigt, die Vollmacht verdrängt den Vertretenen nicht.
Rz. 32
Nach § 167 Abs. 2 BGB bedarf die Vollmacht nicht der Form, die für das Rechtsgeschäft selbst erforderlich ist. Aus Beweisgründen wird gerade im Erbrecht jedoch die Schriftform zu wählen sein. Von der Form sind die Einwilligungs- oder Genehmigungserfordernisse des Familiengerichts bei Minderjährigen bzw. beschränkt Geschäftsfähigen zu unterscheiden (§§ 1643, 1799, 1814, 1903, 1915 Abs. 1 BGB). Über die Universalsukzession nach § 1922 BGB rückt jedoch der minderjährige Erbe in die Rechtsposition des Erblassers ein, die familiengerichtlichen Genehmigungserfordernisse gelten für die Wirksamkeit und Ausübung der Vollmacht daher nicht.
Rz. 33
Der Umfang der Vertretungsmacht richtet sich nach den Vorgaben des Vertretenen. Für den Vollzug von Schenkungsversprechen des Erblassers durch einen Stellvertreter mit postmortaler Vollmacht ist die Vertretungsmacht jedoch begrenzt. Dabei sind zunächst das Schenkungsversprechen unter Lebenden (§ 516 BGB) und das Schenkungsversprechen von Todes wegen (§ 2301 BGB) zu unterscheiden. Im ersten Fall kann der Bevollmächtigte nach dem Erbfall mit Heilungswirkung nach § 518 Abs. 2 BGB die Schenkung zu Lasten des Nachlasses vollziehen. Im zweiten Fall verneint der BGH dagegen nach dem Wortlaut des § 2301 Abs. 2 BGB richtigerweise eine Heilungsmöglichkeit durch Vollzug nach dem Erbfall, weil der Schenkungsvollzug nur ein unwirksames Schenkungsversprechen, nicht aber eine unwirksame letztwillige Verfügung heilen kann.
Rz. 34
Auch bei der Vollmacht ist die Struktur der Vermögenszuordnung nach dem Erbfall zu beachten (siehe § 8 Rdn 1). Der Bevollmächtigte kann mit seiner Willenserklärung den Erben nämlich nur in Bezug auf den Nachlass, der zunächst als Sondervermögen von dem Eigenvermögen des Erben zu trennen ist, berechtigen oder verpflichten. Diese Trennung wird von denjenigen übersehen, die die transmortale Vollmacht auch auf das Privatvermögen des Erben erstrecken wollen. Es ist jedoch äußerst bedenklich, von einem Nicht-Widerruf der Vollmacht durch den Erben darauf zu schließen, dass der Bevollmächtigte ihn auch hinsichtlich seines Privatvermögens berechtigt und verpflichtet haben soll. Jedenfalls hängt die Reichweite von Willenserklärungen von dem Empfängerhorizont ab (§ 157 BGB). Dritte werden daher bei einer Vollmacht des Erblassers regelmäßig von einer Beschränkung auf den Nachlass ausgehen.
Praxishinweis
Die post- oder transmortale Vollmacht ist für die Fortführung eines Handelsgeschäftes eines Einzelkaufmannes oder einer Personenhandelsgesellschaft daher oft unzureichend. Im Rahmen der Gestaltung der Unternehmensnachfolge sollten deswegen die erb- und gesellschaftsrechtlichen Lösungen den Vorzug erhalten.