Rz. 72
Um kündigungsrelevant sein zu können, muss die Unternehmerentscheidung vom Arbeitgeber umgesetzt werden. Die Organisationsentscheidung muss zu einer Organisationsänderung führen. Die Organisationsänderung kann zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits abgeschlossen, eingeleitet oder beabsichtigt sein. Im ersteren Fall muss der Arbeitgeber den oder die Arbeitnehmer i.d.R. sofort freistellen. Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess Tatsachen vortragen, aus denen zu schließen ist, dass die unternehmerische Entscheidung tatsächlich durchgeführt worden ist oder dass aufgrund der Umsetzung dieser Entscheidung davon auszugehen ist, dass sie sich zum Kündigungstermin realisieren wird. Sie muss "greifbare Formen" angenommen haben.
Rz. 73
Solche greifbaren Formen liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machen den betrieblichen Grundes gegeben. In der Regel wird ein verbindlicher Beschluss des zuständigen Organs des Unternehmens oder die Aufnahme von Interessenausgleichsverhandlungen reichen. Entscheidend ist der Beweis, dass die Kündigung aufgrund einer vernünftigen und ernsthaften Prognose ausgesprochen wurde, nach der zum Kündigungstermin der Arbeitsplatz entfällt.
Rz. 74
Dies ist nach der Rspr. des BAG nicht der Fall bei Arbeitnehmern in Block-Altersteilzeit, die sich bereits in der Freistellungsphase befinden. Deren Beschäftigungsbedarf sei bereits entfallen. In der Praxis wird man vortragen, dass in Folge der Organisationsentscheidung z.B. Miet- oder Leasingverträge gekündigt, Maschinen oder sonstige Geräte zurückgegeben oder verkauft worden sind, der Verkauf oder Vertrieb bestimmter Produkte eingestellt, dass die vorher vom Arbeitnehmer wahrgenommenen Arbeiten von bestimmten Arbeitnehmern tatsächlich ohne Anfall von Überstunden miterledigt werden, dass ein bestimmter Unternehmensbereich eingestellt oder dass ein Interessenausgleich über die Maßnahme abgeschlossen worden ist.
Rz. 75
Formulierungsbeispiel
Die vorbeschriebene unternehmerische Entscheidung ist vollständig umgesetzt worden. Die Beklagte erbringt seit (…) sämtliche Projektleitungsaufgaben durch die Projektleiter (…). Alle übrigen Arbeitnehmer mit Projektleitungsaufgaben sind ausgeschieden und die Stellen sind nicht wieder besetzt worden. Der Bereich (…) ist mit Wirkung vom (…) eingestellt worden.
Beweis: Zeugnis des (…), zu laden über die Beklagte.
Rz. 76
Auch bei einer Betriebs(teil-)stilllegung muss die unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen haben und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung muss die Prognose rechtfertigen, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn sich ein Arbeitgeber an der Neuausschreibung eines auslaufenden Auftrags beteiligt und die Entscheidung über die Neuvergabe noch offen ist. Eine vor der Vergabeentscheidung ausgesprochene Kündigung ist als sog. Vorratskündigung sozial ungerechtfertigt.