Rz. 222
Außerdienstliches Verhalten ist grundsätzlich nicht geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Etwas anderes gilt, wenn sich aus dem außerdienstlichen Verhalten unmittelbare Einwirkungen auf das Arbeitsverhältnis ergeben, wenn also das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird. Bei Lehrern und Erziehern kann eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu Lasten eines Kindes einen Kündigungsgrund darstellen, soweit hierdurch ernsthafte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers für die Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Aufgaben begründet werden. Gleiches gilt für strafbare Handlungen des Arbeitnehmers. Auch sie sind nur dann kündigungsrelevant, wenn sie einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben. Eine Hehlerei des Arbeitnehmers mit gestohlenen Handys eines in Geschäftsbeziehung zum Arbeitgeber stehenden Kunden, wenn sie sich auf dem Parkplatz des Betriebs ereignet, verletzt das Integritätsinteresse des Arbeitgebers erheblich und führt zu einer kündigungsrechtlich beachtlichen Nebenpflichtverletzung. Der Arbeitgeber braucht nicht zu dulden, dass sein Betriebsgelände von Mitarbeitern für strafbare Privatgeschäfte genutzt wird.
Rz. 223
Nach der Rspr. des BVerfG hat aufgrund der Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) die Kirche das Recht, über die Maßstäbe vertraglicher Loyalitätspflichten zu befinden. So bindet für den Bereich der katholischen Kirche die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" die kündigungsschutzrechtliche Beurteilung jedenfalls insoweit, wie es um das Gewicht des Loyalitätsverstoßes geht. Indes hat der EuGH in der Rechtssache Egenberger ausgeführt, dass ein Vorbringen einer Kirche oder einer anderen Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zur Begründung einer Handlung oder Entscheidung, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss, damit sichergestellt wird, dass die in Art. 4 Abs. 2 der RL 2000/78 genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind. Die Mitgliedstaaten und ihre Behörden, insbesondere ihre Gerichte, hätten darüber zu wachen, dass das Recht der Arbeitnehmer, u.a. wegen der Religion oder der Weltanschauung keine Diskriminierung zu erfahren, nicht verletzt werde. Auch wenn es den staatlichen Gerichten im Regelfall nicht zustehe, über das der angeführten beruflichen Anforderung zugrunde liegende Ethos als solches zu befinden, obliege es ihnen jedoch, festzustellen, ob die von der betreffenden Kirche oder Organisation aufgestellte berufliche Anforderung im Hinblick auf dieses Ethos aufgrund der Art der fraglichen Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist. Der EuGH hat seine Ausführungen aufgrund des Vorlageersuchens des 2. Senats des BAG v. 28.7.2016 bestätigt. Vor dem Hintergrund der ergangenen EuGH-Entscheidungen hat das BAG 2019 entschieden, dass die Loyalitätspflicht, den heiligen und unauflöslichen Charakter der kirchlichen Eheschließung zu achten, im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten als Chefarzt und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.