Rz. 226
Dem Arbeitnehmer obliegt die vertragliche Nebenpflicht, die zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung aufgestellten Regeln zu beachten. Verstößt ein Arbeitnehmer gegen die betriebliche Ordnung, so kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.
Rz. 227
Dies gilt auch für einen Verstoß gegen eine Kleiderordnung. Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern mit Kundenkontakt erwarten, dass sie sich dem Charakter des Handelsgeschäfts und dessen Kundenstamm entsprechend branchenüblich kleiden. Eine solche Pflicht kann, durch eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag, eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), durch eine Weisung des Arbeitgebers begründet werden oder sich aus einer vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) ergeben. Das danach grundsätzlich dem Arbeitgeber zustehende Weisungsrecht darf jedoch nach § 315 Abs. 1 BGB nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Die Billigkeit wird inhaltlich durch die Grundrechte mitbestimmt. Will eine Arbeitnehmerin ihre Arbeit nur noch mit dem Tragen eines – islamischen – Kopftuches durchführen, kann der Arbeitgeber auch unter Berücksichtigung seiner grundrechtlich geschützten Unternehmerfreiheiten nicht ohne weiteres von der Arbeitnehmerin die Einhaltung eines im Betrieb allgemein üblichen Bekleidungsstandards verlangen und die Arbeitnehmerin zu einer Arbeitsleistung ohne Kopftuch auffordern. Sowohl bei der Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers als auch bei der Ausgestaltung von vertraglichen Rücksichtnahmepflichten ist das durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG grundrechtlich geschützte Anliegen einer Arbeitnehmerin, aus religiösen Gründen ein Kopftuch bei der Arbeit zu tragen, zu beachten. Ob und in welcher Intensität die durch Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit durch das Tragen eines Kopftuches von einer Arbeitnehmerin, z.B. in Form von betrieblichen Störungen oder wirtschaftlichen Einbußen, betroffen wird, muss der Arbeitgeber konkret darlegen. Nach aktueller EuGH-Rechtsprechung darf der Arbeitgeber das Tragen von Symbolen einer bestimmten Religion nicht verbieten. Der Arbeitgeber kann aber ein Verbot erlassen, das generell und ohne Rücksicht auf eine bestimmte Religion oder Weltanschauung das sichtbare Tragen jedes politischen, weltanschaulichen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz untersagt, wenn diese Neutralitätspolitik einem wirklichen Bedürfnis des Arbeitgebers entspricht und konsequent verfolgt wird.
Rz. 228
Auch eine wiederholte schuldhafte Unpünktlichkeit stellt eine Verletzung der Arbeitspflicht dar und kann dementsprechend eine Kündigung grundsätzlich rechtfertigten. Häufige Verspätungen eines Auslieferungsfahrers sind üblicherweise mit Betriebsablaufstörungen verbunden, die der Arbeitgeber regelmäßig nicht im Einzelnen darlegen und beweisen muss.