I. Vorliegen personenbedingter Kündigungsgründe
Rz. 171
Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Ein personenbedingter Kündigungsgrund kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die Fähigkeiten oder Eignung zur Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleistung verloren hat. Die Erreichung des Vertragszwecks muss durch diesen Umstand nicht nur vorübergehend zumindest teilweise unmöglich sein.
Rz. 172
Sog. objektive Leistungsmängel liegen vor, wenn außerhalb der Persönlichkeit des Arbeitnehmers liegende, zur Verrichtung der Arbeit erforderliche Voraussetzungen fehlen bzw. rechtliche oder tatsächliche Leistungshindernisse bestehen (z.B. Krankheit, berufliche Zulassung, staatliche Lehrbefähigung, ärztliche Approbation oder sonstige Berufsausübungserlaubnis, Befähigungsnachweis, Fahrerlaubnis, Arbeitserlaubnis, Straf- oder Untersuchungshaft). Subjektive Leistungsmängel liegen vor, wenn dem Arbeitnehmer Eigenschaften fehlen, die er dem Arbeitsvertragsinhalt nach haben müsste, z.B. mangelnde Fähigkeit zur Menschenführung, fundamentale, unüberwindbare Glaubenshindernisse oder persönliche Ungeeignetheit aus charakterlichen Gründen.
II. Allgemeine Prüfungssystematik
1. Negativprognose
Rz. 173
Auch zur Rechtfertigung der personenbedingten Kündigung ist eine Negativprognose erforderlich. Im Zeitpunkt der Kündigung muss die auf konkrete Tatsachen gestützte Prognose (allgemein zum Prognoseprinzip siehe oben Rdn 52) gerechtfertigt sein, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die von ihm geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht mehr in ausreichendem Maße erbringen kann.
2. Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
Rz. 174
Die Leistungsunfähigkeit oder -einschränkung des Arbeitnehmers muss zu einer konkreten und erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers führen, die im Zeitpunkt der Kündigung noch andauert. Nicht ausreichend sind rein abstrakte Gefährdungen des Betriebs.
3. Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz oder sonstige mildere Mittel
Rz. 175
Nach dem ultima-ratio-Prinzip (allgemein dazu vgl. Rdn 51) muss der Arbeitgeber vorrangig mildere Mittel auszuschöpfen, soweit dadurch die betrieblichen oder vertraglichen Interessen hinreichend gewahrt werden. Insoweit gelten die bereits zur betriebsbedingten Kündigung dargelegten Grundsätze entsprechend. Insb. ist jeweils die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien (vgl. Rdn 95), vergleichbaren (vgl. Rdn 100) Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen, auf dem die Leistungsmängel des Arbeitnehmers sich nicht oder nur noch unbedeutend auswirken, ggf. nach Änderung der Arbeitsbedingungen (vgl. Rdn 105) oder nach zumutbaren Umschulungsmaßnahmen (vgl. Rdn 103) zu prüfen.
Rz. 176
Da personenbedingte Umstände verschuldensunabhängig sind, ist eine Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich.
4. Interessenabwägung
Rz. 177
An die Interessenabwägung sind nach der Rspr. des BAG strenge Maßstäbe anzulegen. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber die aufgrund des personenbedingten Kündigungsgrundes eingetretene Störung des Arbeitsverhältnisses billigerweise noch hinnehmen muss oder ob die Kündigung bei verständiger Würdigung und Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes billigenswert und angemessen erscheint.
Rz. 178
Im Rahmen der Interessenabwägung ist insb. die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers (Unterhaltspflichten), die Lage auf dem Arbeitsmarkt, die Ursachen des personenbedingten Grundes und die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Je länger der Arbeitnehmer zur Zufriedenheit des Arbeitgebers seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachgekommen ist, desto erheblicher muss das Ausmaß der betrieblichen und/oder der wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers sein. Im Rahmen der Interessenabwägung der personen-, insb. der krankheitsbedingten Kündigung können auch Abmahnungen berücksichtigt werden. Dabei ist auf sprachliche Genauigkeit zu achten.
III. Krankheit
Rz. 179
In der Praxis des arbeitsrechtlich tätigen Rechtsanwalts kommt typischer Weise die krankheitsbedingte Kündigung unter den personenbedingten Kündigungen am häufigsten vor. Im Gegensatz zu einer sich hartnäckig in den Unternehmen und bei Arbeitnehmern ha...