Rz. 17
Nach § 1 Abs. 1 KSchG unterfallen nur Arbeitnehmer – nicht Selbstständige – dem Kündigungsschutz nach dem KSchG. Eine selbstständige Tätigkeit liegt vor, wenn die Person ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und ihre Arbeitszeit frei bestimmen kann. § 84 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 HGB enthält insoweit eine über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende gesetzliche Wertung. Dementsprechend stellt die Rspr. für die Annahme des Vorliegens der Arbeitnehmereigenschaft insb. darauf ab, ob die Person die weisungsgebunden vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von ihrem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Dieser grundsätzliche Prüfungsansatz ist in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV für die Beschäftigteneigenschaft im Sozialversicherungsrecht, die mit dem Arbeitnehmerbegriff weitgehend identisch ist, vom Gesetzgeber übernommen worden. Danach sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung, eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Rz. 18
Zur Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft ist auf Indizien abzustellen. Dabei ist die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu berücksichtigen, da der Grad der persönlichen Abhängigkeit durch die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit wesentlich geprägt wird. Es kommt auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles an. Es besteht jedoch die Tendenz in der Rspr. Beschäftigungen herauszubilden, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis erbracht werden.
Rz. 19
Wichtigstes Indiz ist der Umfang der Weisungsgebundenheit. Je mehr der Dienstverpflichtete hinsichtlich seiner Arbeit den Weisungen des Dienstberechtigten unterliegt, desto mehr spricht das für eine Arbeitnehmerstellung. Der Umfang der Weisungsgebundenheit ist hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort und sonstiger Modalitäten der Tätigkeit zu prüfen. Das Weisungsrecht muss sich nicht auf die Arbeitszeit erstrecken, sondern kann sich bereits nach dem Wortlaut des § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB auch auf den Inhalt und die Durchführung der geschuldeten Tätigkeit beschränken. Die Weisungsgebundenheit kann sich auch aus einer sehr detaillierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltung ergeben. Für die Praxis kann die grobe Orientierung gelten, dass grundsätzlich eher bei einfachen Tätigkeiten von der Rspr. eine Weisungsgebundenheit und damit eine Arbeitnehmerstellung angenommen wird. Organisationsanweisungen, die den Ablauf von dritter Seite getragener Veranstaltungen regeln, begründen nicht die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Dem selbstständigen Tätigwerden steht nicht entgegen, dass wirtschaftliche Rahmenbedingungen – z.B. Ein- und Verkaufspreise – festgelegt werden.
Rz. 20
Weitere wichtige Indizien sind, ob der Dienstverpflichtete in den Betrieb eingegliedert ist und ob er dem Dienstberechtigten seine ganze Arbeitskraft schuldet oder ihm gar verboten ist, seine Dienstleistung frei am Markt anzubieten. Ein solches Verbot kann sich auch mittelbar aus dem Umfang der vertraglich geschuldeten Leistung ergeben. Z.B. bei einer Verpflichtung zur jederzeitigen Auftragsannahme, verlangt der Dienstberechtigte ständige Dienstbereitschaft, die nach ständiger Rspr. des BAG ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft ist.
Rz. 21
Ein Arbeitnehmer muss die geschuldete Arbeitsleistung im Zweifel höchstpersönlich erbringen (vgl. § 613 BGB). Zu den wesentlichen Merkmalen selbstständigen Tätigwerdens gehört dagegen das Recht, Dienstleistungen nicht in Person, sondern durch Dritte erbringen zu lassen, die der zur Dienstleistung Verpflichtete frei auswählen und einstellen kann. Ist der zur Dienstleistung Verpflichtete nach den tatsächlichen Umständen nicht in der Lage, seine vertraglichen Leistungspflichten alleine zu erfüllen, sondern auf Hilfskräfte angewiesen und vertraglich berechtigt, seine Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, liegt regelmäßig kein Arbeitsverhältnis vor. Im Einzelfall kann auch die Art der Entlohnung, die Gewährung bezahlten Erholungsurlaubs sowie Zulagen, die Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall und vor allem die Behandlung vergleichbarer Mitarbeiter zur Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft herangezogen werden.
Rz. 22
Für die Abgrenzung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände der Leistungserbringung von Bedeutung, nicht aber die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben oder gar die von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind. Ein Rechtsverhältnis, das ausdrücklich als Arbeitsverhältnis vereinbart worden ist, ist in diesem...