1. Arbeitspflichtverletzung
Rz. 210
Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer durch sein Verhalten gegen arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verstoßen hat. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, alles zu unterlassen, was die Funktionsfähigkeit des Betriebes und die notwendige betriebliche Ordnung gefährdet oder beeinträchtigt. Darüber hinaus ist er gehalten, außerhalb des Vertragsverhältnisses alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Vertragszweck zu gefährden, insb. das gegenseitige, vertragsnotwendige Vertrauen zu erschüttern.
2. Negative Zukunftsprognose
Rz. 211
Das Arbeitsverhältnis muss durch die Vertragspflichtverletzung konkret beeinträchtigt worden sein. Derartige konkrete Beeinträchtigungen müssen auch in Zukunft zu befürchten sein, es muss eine Wiederholungsgefahr bestehen.
3. Abmahnung
Rz. 212
Grundsätzlich ist eine Abmahnung wegen eines vergleichbaren Fehlverhaltens Wirksamkeitsvoraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung. Dies gilt bei jedem steuerbaren Verhalten. Die Abmahnung gehört zur sachlichen Begründetheit (jedenfalls) der verhaltensbedingten Kündigung (ausführlich vgl. Rdn 240 ff.). Im Rahmen der nachfolgend unter IV. (siehe Rdn 218 ff.) zu behandelnden Einzelfälle wird nicht gesondert auf die Erforderlichkeit einer Abmahnung eingegangen.
4. Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz
Rz. 213
Auch bei der verhaltensbedingten Kündigung ist zu prüfen, ob es möglich und zumutbar ist, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Es gelten grundsätzlich die gleichen Grundsätze wie bei der betriebsbedingten Kündigung (vgl. Rdn 95 ff.). Der Arbeitgeber braucht sich jedoch auf die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nur dann verweisen zu lassen, wenn davon auszugehen ist, dass sich das Fehlverhalten auf dem neuen Arbeitsplatz nicht mehr auswirken wird ("arbeitsplatzbezogene Pflichtverletzung"). An die Unzumutbarkeit der anderweitigen Beschäftigung sind insb. bei vorwerfbarem Verhalten des Arbeitnehmers keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
5. Interessenabwägung
Rz. 214
Im Wege der Interessenabwägung (vgl. dazu Rdn 53 ff.) ist zu ermitteln, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zugemutet werden kann. Die Lösung des Arbeitsverhältnisses muss in Abwägung der Interessen beider Parteien billigenswert und angemessen erscheinen. Nach der Rspr. des BAG muss das Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Einzelfall dazu geeignet sein, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung zu bestimmen. Bei der Abwägung sind die Intensität und Beharrlichkeit der Vertragsverletzung, frühere Pflichtwidrigkeiten des Arbeitnehmers sowie das Maß des Verschuldens von Bedeutung. Abwägungsgesichtspunkte können auch betriebliche Beeinträchtigungen, wie z.B. Betriebsablaufstörungen, Vermögensschäden oder Rufschädigungen sein. Auch ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitgebers ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Dem Lebensalter kommt bei verhaltensbedingten Kündigungen nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Unerheblich sind Unterhaltspflichten. Zu Gunsten des Arbeitnehmers kann sich die Dauer der Betriebszugehörigkeit ohne Pflichtverletzungen auswirken. Kündigungsgründe, die dem Arbeitgeber bereits längere Zeit bekannt sind, verlieren an Gewicht.
Bei einem öffentlichen Arbeitgeber kann auch der mit der Pflichtverletzung verbundene Ansehensverlust in der Öffentlichkeit bzw. die Gefahr eines Ansehensverlusts zu Lasten des Arbeitnehmers ins Gewicht fallen.
6. Verschulden
Rz. 215
Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt grundsätzlich nur bei schuldhaftem, d.h. vorsätzlichem oder fahrlässigem Verhalten in Betracht (§ 276 Abs. 1 BGB).