1. Alkohol- und Drogenmissbrauch
Rz. 218
Alkohol- und Drogenmissbrauch kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch eine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung eintritt oder wenn der Arbeitnehmer durch den Alkohol- oder Drogenkonsum sich oder andere gefährdet. Hat der Arbeitnehmer eine Funktion inne, bei der Alkohol- oder Drogenkonsum besonders gefährdend für sich oder andere wirkt, wie z.B. bei Berufskraftfahrern, Ärzten oder Piloten, kann schon ein einmaliger Verstoß gegen das Alkohol- oder Drogenverbot auch außerhalb der Arbeitszeit einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen. Alkoholbedingte Schlecht- oder Minderleistungen können nach allg. Grundsätzen eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Eine Pflichtverletzung liegt ebenfalls vor, wenn der Arbeitnehmer gegen wirksame einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Alkoholverbote verstößt. Dies gilt auch, wenn es nicht zu konkreten Störungen im betrieblichen Ablauf kommt. Die vorgenannten Grundsätze sind dann nicht anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer alkohol- oder drogenabhängig ist. In diesem Fall kann nur aus krankheitsbedingten Gründen gekündigt werden (vgl. Rdn 199). Auch der Verstoß gegen ein betriebliches Rauchverbot kann die ordentliche Kündigung rechtfertigen.
2. Anzeigen und Zeugenaussagen/Erklärungen gegenüber der Presse
Rz. 219
Strafanzeigen oder Anzeigen bei Verwaltungsbehörden gegen den Arbeitgeber können diesen zur verhaltensbedingten Kündigung berechtigten, wenn diese Anzeigen ohne sachlichen Grund erfolgen. Dies gilt insb. für die wahrheitswidrige Behauptung gegenüber Ermittlungsbehörden. Die kündigungsrechtlich erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann sich im Zusammenhang mit der Erstattung einer Strafanzeige im Einzelfall aber auch aus anderen Umständen ergeben. Eine Anzeige ist nicht kündigungsrelevant, wenn der Arbeitnehmer berechtigte eigene Interessen wahrnimmt und sich zuvor erfolglos mit dem Arbeitgeber in Verbindung gesetzt hat. Nach der Rspr. des BVerfG ist die Aussage eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren sowie die Übergabe von Unterlagen auf Aufforderung der Staatsanwaltschaft, grundsätzlich nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen.
Der Arbeitnehmer handelt vertragswidrig, wenn er unmittelbar die Presse einschaltet und sich nicht an die zuständige Behörde wendet. Nach der Rspr. des EGMR ist der Arbeitnehmer grundsätzlich zu Loyalität und Vertraulichkeit gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet. Daher ist ein Arbeitnehmer angehalten, sich zunächst an einen Vorgesetzten oder eine andere innerbetriebliche Stelle zu wenden. Nur wenn dies eindeutig unmöglich ist, darf sich der Arbeitnehmer als ultima ratio an die Öffentlichkeit wenden.
Am 26.4.2019 trat das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft. Hiernach dürfen Geschäftsgeheimnisse zum Schutz eines berechtigten Interesses offengelegt werden (vgl. § 5 GeschGehG). Zu diesen berechtigten Interessen gehören: freie Meinungsäußerung, Aufdeckung von rechtswidrigen Handlungen und die Aufgabenerfüllung der Arbeitnehmervertretung. Noch ungeklärt ist allerdings, ob sich die in § 5 GeschGehG genannten Ausnahmen lediglich innerhalb des GeschGehG auswirken oder ob sie sich auch zur Verteidigung gegen arbeitsrechtliche Sanktionen heranziehen lässt.
3. Arbeitsverweigerung
Rz. 220
Die Weigerung eines Arbeitnehmers, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Dies gilt nur, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet ist, die ihm zugewiesene Tätigkeit auszuüben. Dies gilt insb. bei unberechtigter Ablehnung von Überstunden. Entsprechendes gilt für eigenmächtigen Urlaubsantritt oder sonstige Freizeitnahme, soweit der beantragte, aber nicht bewilligte Urlaub (bzw. Freizeit) zu Recht abgelehnt worden ist. Eine Arbeitsverweigerung ist auch dann anzunehmen, wenn sich der Arbeitnehmer zu Unrecht auf ein Leistungsverweigerungsrecht beruft. Macht ein Arbeitn...