1. Beschäftigungsdauer von mehr als sechs Monaten
Rz. 46
Nach § 1 Abs. 1 KSchG besteht Kündigungsschutz, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden hat. Die Wartezeit soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnen, den Arbeitnehmer für einen Zeitraum von sechs Monaten zu erproben, bevor das KSchG eingreift. Die Wartezeit kann wegen des einseitig zwingenden Charakters des KSchG nicht verlängert werden. Wird z.B. wegen längerer Erkrankung die Probezeit über sechs Monate hinaus verlängert, greift das KSchG ein. Dies gilt auch, wenn einzelvertraglich von vornherein eine längere Probezeit vereinbart worden ist. Die Wartezeit kann verkürzt oder ausgeschlossen werden. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis insb. bei Vorbeschäftigungszeiten im selben Unternehmen oder einem anderen Unternehmen des Konzerns, im Anschluss an eine Ausbildung und bei einem Wechsel des öffentlichen Arbeitgebers Gebrauch gemacht. Der Verzicht auf die Wartezeit kann auch konkludent erfolgen.
Rz. 47
Formulierungsbeispiel
§ (…) Beginn und Anrechnung der Beschäftigungszeit
Der Arbeitnehmer wird ab dem (…) (aktuelles Datum) weiterbeschäftigt. Die Probezeit ist bereits erfüllt (bzw. die Probezeit ist am (…) (Datum) erfüllt). Mit Wirkung des in Satz 1 genannten Datums gilt unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit ausschließlich dieser Arbeitsvertrag. Die Betriebszugehörigkeit besteht seit (…)
2. Berechnung
Rz. 48
Die Frist beginnt grundsätzlich mit dem Tag der Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer. Dies gilt auch, wenn der Arbeitsvertrag erst nach der Arbeitsaufnahme unterzeichnet wird. Maßgeblich für den Ablauf der Sechs-Monats-Frist ist der kalendermäßig feststellbare rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses. Wird ein Arbeitnehmer z.B. am 1.1.2023 eingestellt, besteht ab 1.7.2023 Kündigungsschutz, wenn die Kündigungserklärung nicht vor Ablauf der Frist, also dem 1.7.2023, zugeht. Nicht maßgebend ist der Tag, an dem die Kündigungsfrist abläuft. Besteht in dem vorgenannten Beispiel eine zweiwöchige Kündigungsfrist (vgl. § 622 Abs. 3 BGB), kann noch am 30.6.2023 zum 14.7.2023 ohne Eingreifen des KSchG gekündigt werden.
Rz. 49
Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber sind auf die Wartezeit anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis mit dem früheren in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht. In der Regel werden nur kurzfristige rechtliche Unterbrechungen von einigen Tagen oder wenigen Wochen zu einer Anrechnung der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses führen. Diese Grundsätze gelten auch für Tagesarbeitsverhältnisse, die aufgrund einer Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden. Das BAG hat eine Anrechnung bei einer Unterbrechung von mehr als drei Wochen verneint. Jedoch lässt sich eine feste zeitliche Grenze nicht ziehen, ausschlaggebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Je länger die Unterbrechung gedauert hat, desto gewichtiger müssen die für einen sachlichen Zusammenhang sprechenden Umstände sein. Neben der Dauer der Unterbrechung kommt es für die Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten auf ihren Anlass und auf die Art der Weiterbeschäftigung an. Es wird i.d.R. kein enger sachlicher Zusammenhang vorliegen, wenn der Arbeitnehmer gekündigt hat.
Rz. 50
Unmittelbar vorausgegangene Vertragszeiten im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses sind anzurechnen. Bei einem Betriebsinhaberwechsel sind die beim Betriebsveräußerer erbrachten Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Wartezeit für eine vom Betriebsübernehmer ausgesprochene Kündigung zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs das Arbeitsverhältnis kurzfristig unterbrochen war, die Arbeitsverhältnisse aber in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen. Nicht anzurechnen sind Zeiten in einem anderen Status, z.B. freier Mitarbeiter, Beamter oder Geschäftsführer. Allerdings lässt es das BAG grundsätzlich zu, durch vertragliche Vereinbarung eine an sich anrechnungsunfähige frühere Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber oder bei einem anderen Unternehmen auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit anzurechnen, sofern diese nicht allein die Umgehung der Sozialauswahl bezweckt. Das BAG hält einen Anrechnungswillen der Parteien für gegeben, wenn sie nach Beendigung eines Geschäftsführervertrags vereinbaren, den Betreffenden ohne wesentliche Änderung der Arbeitsaufgaben im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen. Eine berufliche Ausbildungszeit, insb. eine Lehrzeit, ist in die Wartezeit ...