I. Überblick
Rz. 240
Die Abmahnung ist weder gesetzlich noch tarifvertraglich geregelt. Sie ist von der Rspr. entwickelt, stellt also typisches Richterrecht dar. Die Notwendigkeit der Abmahnung ergibt sich aus dem ultima-ratio-Prinzip (allg. dazu vgl. Rdn 51) und dem Rechtsgedanken des § 314 Abs. 2 S. 1 BGB. Im Übrigen ist die Abmahnung erforderlich, um die negative Zukunftsprognose begründen zu können (vgl. dazu Rdn 211).
Rz. 241
Grundsätzlich ist eine Abmahnung wegen eines vergleichbaren Fehlverhaltens Wirksamkeitsvoraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung. Wird eine ordentliche Kündigung mit einem Sachverhalt begründet, der sowohl personen- als auch verhaltensbedingte Gründe betrifft (sog. Kündigung wegen eines Mischtatbestandes), richtet sich der Prüfungsmaßstab in erster Linie danach, welchem Bereich die Störung des Arbeitsverhältnisses primär zuzuordnen ist. Ist die Störung primär dem Verhaltensbereich zuzuordnen, so ist eine vorherige vergebliche Abmahnung Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung.
Rz. 242
Die Abmahnung soll den Arbeitnehmer an seine vertraglichen Pflichten erinnern und deren künftige Einhaltung verlangen (Rügefunktion). Zum anderen kommt der Abmahnung eine Warnfunktion zu. Dem Arbeitnehmer soll deutlich vor Augen geführt werden, dass sein Verhalten den Bestand oder Inhalt seines Arbeitsverhältnisses gefährdet. Daneben hat die Abmahnung Dokumentationsfunktion.
Rz. 243
Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei.
II. Notwendiger Inhalt der Abmahnung
Rz. 244
Aus der kündigungsrechtlichen Warnfunktion der Abmahnung ergibt sich zwingend folgender Mindestinhalt einer Abmahnung:
▪ |
konkrete Bezeichnung des Fehlverhaltens und |
▪ |
Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen für Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall. |
Fehlt eine dieser beiden Voraussetzungen, so ist die Abmahnung unwirksam.
1. Konkrete Bezeichnung (eines) Fehlverhaltens
Rz. 245
Nach der Rspr. des BAG muss der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer “hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise“ Leistungsmängel beanstanden. Der Arbeitnehmer soll eindeutig und unmissverständlich ersehen können, was ihm zum Vorwurf gemacht wird, welches Verhalten der Arbeitgeber missbilligt und in welcher Hinsicht seine Leistungen nicht dessen Anforderungen entsprechen. Es genügt also nicht, die Pflichtverletzungen lediglich allgemein zu umschreiben und hierbei nur schlagwortartige Bezeichnungen zu gebrauchen. Die Abmahnung muss inhaltlich bestimmt sein. Eine Abmahnung wegen "mangelhafter Leistungen", wegen "ungebührlichen Verhaltens", wegen "häufiger Verspätung", wegen "Unzuverlässigkeit" etc. ist zu unsubstantiiert. Dies gilt erst Recht für die – in der Praxis häufig anzutreffende – Formulierung: "Ihre Leistungen lassen zu wünschen übrig" oder pauschalen Hinweise wie "wegen der Ihnen bekannten Vorkommnisse" oder "aus gegebenem Anlass". Eine Bezugnahme im Abmahnungsschreiben auf ein vorangegangenes Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist nur zulässig, wenn sich hieraus unmissverständlich die Beanstandungen des Arbeitgebers ergeben. Soll ein außerdienstliches Verhalten abgemahnt werden, bedarf es der vorherigen Aufstellung klarer und verhältnismäßiger Verhaltensregeln.
Rz. 246
Praxishinweis
Im Fall der Minderleistung ist wichtig, dass der Arbeitnehmer im Abmahnungsschreiben nicht aufgefordert werden darf, "durchschnittliche Arbeitsergebnisse" zu erzielen, denn eine solche Verpflichtung besteht nicht. Der Arbeitnehmer darf lediglich unter Hinweis auf die Unterdurchschnittlichkeit der bisher erzielten Ergebnisse aufgefordert werden, seine persönliche Leistungsfähigkeit auszuschöpfen.
Rz. 247
Eine Abmahnung kann sich grundsätzlich auch auf mehrere Beanstandungen beziehen. Nach der Rspr. des BAG hat der Arbeitnehmer, wenn in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt werden und davon nicht alle zutreffen, einen Anspruch auf Entfernung des vollständigen Abmahnungsschreibens. Die Abmahnung kann also nicht teilweise aufrechterhalten werden. Soweit auch nur ein Vorwurf unbegründet ist, muss die Abmahnung insgesamt aus der Personalakte entfernt werden. Allerdings kann der Arbeitgeber anschließend eine auf die zutreffenden Pflichtverletzungen begrenzte Abmahnung aussprechen.
Rz. 248
Praxishinweis
In der Praxis scheitern die meisten Abmahnungen daran...