A. Zeitlicher Geltungsbereich
Rz. 1
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 wurde das allgemeine Leistungsstörungsrecht mit Wirkung vom 1.1.2002 grundlegend geändert. Dies ist auch für Rechtsberaterverträge von Bedeutung.
Rz. 2
Auf Rechtsberaterverträge, die vor diesem Tage geschlossen wurden, ist das bisher geltende Recht anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB), das – mit Ausnahme von Unmöglichkeit und Verzug, die im Anwaltsvertrag nur geringe praktische Bedeutung besitzen – bei Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beratervertrag als Anspruchsgrundlage nur das von Rechtsprechung und Lehre entwickelte Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung (positiven Forderungsverletzung) kennt. Für bis zum 31.12.2001 begründete Dauerschuldverhältnisse gilt aber das neue Recht mit Wirkung v. 1.1.2003. Dazu zählen häufig auch die einem Anwalt oder Steuerberater erteilten Mandate, weil sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und einer Kündigung zugänglich sind (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB). Geschah das pflichtwidrige Verhalten im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses (§ 311 Abs. 2, 3 BGB) vor dem 1.1.2002, so ist altes Recht anzuwenden, selbst wenn der Schaden erst nach diesem Stichtag eintritt. Die Anknüpfung an das alte Recht erstreckt sich auf das gesamte Schuldverhältnis, also auf dessen Entstehung, Inhalt und Abwicklung.
B. Dienstverträge
Rz. 3
In aller Regel beruht die Haftung der Rechtsberater (Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) auf Störungen eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit Dienstvertragscharakter, auf den die Vorschriften des Auftragsrechts Anwendung finden. Ein entgeltlicher Treuhandvertrag mit dem Anwalt ist ebenfalls als Geschäftsbesorgungsvertrag zu bewerten. Zentrale Haftungsnorm ist nunmehr § 280 Abs. 1 BGB, wonach der Gläubiger Schadensersatz verlangen kann, wenn der Schuldner eine aus dem Vertragsverhältnis herrührende Pflicht verletzt hat, es sei denn, der Schuldner hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. § 280 Abs. 1 BGB tritt damit dem Grundsatz nach als Anspruchsgrundlage an die Stelle der früheren positiven Vertragsverletzung. Die Bestimmung begründet i.d.R. einen abgeschlossenen Haftungstatbestand für alle Pflichtverletzungen des Beraters, die nicht in der Herbeiführung einer Verzögerung (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) oder der Unmöglichkeit der Leistung (§§ 280 Abs. 3, 283 BGB) bestehen. Besonderheiten sind allerdings zu beachten, soweit der Mandant Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 3, 281 BGB verlangt.
I. Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB
Rz. 4
§ 280 Abs. 1 BGB enthält – bis auf die Sonderregelung des § 311a Abs. 2 BGB für eine anfängliche Unmöglichkeit – die einheitliche Haftungsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen einer vom Berater nach Vertragsrecht zu vertretenden Pflichtverletzung. Sind die Voraussetzungen der Norm erfüllt, hat der Auftraggeber Anspruch auf "einfachen" Schadensersatz, der auch als "Schadensersatz neben der Leistung" bezeichnet wird. Durch Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis, die der Berater zu vertreten hat, muss dem Mandanten ein Schaden entstanden sein.
1. Schuldverhältnis
Rz. 5
Jeder Rechtsberatervertrag bildet ein Schuldverhältnis i.S.d. Vorschrift (§ 311 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus wird ein Schuldverhältnis auch durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrages und ähnliche geschäftliche Kontakte begründet (§ 311 Abs. 2 BGB).
2. Pflichtverletzung
Rz. 6
§ 280 Abs. 1 BGB umfasst Hauptpflichten (vgl. § 241 Abs. 1 BGB), z.B. die Vertragspflicht zur Rechtsbetreuung (Rechtsberatung und/oder -vertretung), "leistungsbezogene" Nebenpflichten, die unmittelbar der Vorbereitung, Durchführung oder Sicherung der geschuldeten Hauptleistung dienen (vgl. § 241 Abs. 1 BGB), z.B. die Warnpflicht vor Gefahren außerhalb des Mandatsgegenstandes (vgl. § 2 Rdn 10), sowie "nicht leistungsbezogene" Nebenpflichten, die – unabhängig von der hauptsächlichen Leistungspflicht – nur fremde Rechtsgüter und Interessen schützen sollen (§ 241 Abs. 2 BGB).
3. Vertretenmüssen
Rz. 7
Der Berater haftet für seine Pflichtverletzung nicht, wenn er diese nicht gem. §§ 276 bis 278 BGB zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Da ihn die Beweislast für fehlendes Verschulden trifft, hat er i.d.R. für ein eigenes Verschulden in Gestalt von Vorsatz und Fahrlässigkeit oder für ein solches Verschulden von Erfüllungsgehilfen einzutreten (vgl. § 2 Rdn 409 ff.).
4. Schaden
Rz. 8
Es muss ein Schaden im Rechtssinne entstanden sein (vgl. § 5 Rdn 85 ff.), ohne dass zugleich die Voraussetzungen eines S...