a) Allgemeines

 

Rz. 182

Ein Arbeitgeber ist insolvent, wenn er zahlungsunfähig ist. Da der Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit in einer Vielzahl von Fällen aber nur schwer zu bestimmen ist, hat der Gesetzgeber in § 165 SGB III als Insolvenzereignis nicht den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit bezeichnet, sondern gleichberechtigt drei Fallgruppen alternativ nebeneinander aufgeführt:

die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
die Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse und
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
 

Rz. 183

 

Hinweis

Das zeitlich früheste Insolvenzereignis "sperrt"“ die später eintretenden.

 

Rz. 184

Es ist kein neues Insolvenzereignis anzunehmen, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einige Zeit fortführt und dann wegen eigener Zahlungsunfähigkeit den Betrieb einstellt.[134]

 

Rz. 185

 

Praxistipp

Allerdings können Anträge auf Insolvenzeröffnung auch zurückgenommen werden und wirken dann ex tunc in dem Sinne, dass als Insolvenzereignis die vollständige Betriebseinstellung gilt.[135]

 

Rz. 186

Hat der Arbeitgeber den Betrieb fortgeführt oder wieder aufgenommen, nachdem der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen oder der Betrieb vollständig eingestellt worden ist, kann ein weiteres Insolvenzereignis einen neuen Insolvenzgeldanspruch nur begründen, wenn feststeht, dass der Arbeitgeber wieder zahlungsfähig geworden ist.[136] Besteht die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers fort, kann ein neues Insolvenzereignis nicht eintreten und damit auch kein neuer Anspruch auf Insolvenzgeld entstehen.

 

Rz. 187

An die Feststellung des Eintritts der erneuten Zahlungsfähigkeit sind hohe Anforderungen zu stellen. Es ist zu fordern, dass der Arbeitgeber hinsichtlich seiner Altschulden eine Regelung zur Sanierung des Unternehmens getroffen hat und er von den Banken als kreditwürdig eingestuft wird. Das wird vom BSG in seiner Entscheidung vom 9.6.2017 bestätigt, in der das Gericht ausführt, selbst in den Fällen, in denen durch den Beschluss eines Gerichts (hier des AG Essen vom 1.8.2012) erneut ein Insolvenzverfahren über das freigegebene Vermögen des Arbeitgebers eröffnet wurde, sei nicht automatisch ein neues arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis i.S.d. § 165 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III eingetreten.

Das frühere Insolvenzereignis – die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen desselben Arbeitgebers am 1.11.2011 – entfalte gegenüber dem Eintritt eines weiteren Insolvenzereignisses eine Sperrwirkung. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass ein neues Insolvenzereignis i.S.d. SGB III nicht eintritt und folglich auch keine weiteren Ansprüche auf Insolvenzgeld entstehen, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit desselben Arbeitgebers fortdauert.[137]

Das Sächsische LSG hat am 8.3.2018 – L 3 AL 140/16 – hierzu ausgeführt, dass nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden allgemeinen Regeln zur objektiven Beweislast der Grundsatz gelte, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Danach müsse die Klägerin alle Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Insolvenzgeld darlegen. Wenn sie nach einem ersten Insolvenzereignis vortrage, dass bei ihrer früheren Arbeitgeberin ein zweites, neues Insolvenzereignis eingetreten sei, müsse sie darlegen, dass ihre frühere Arbeitgeberin zwischen dem ersten und dem zweiten Insolvenzereignis die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe. Es sei nicht an der Beklagten, den Nichteintritt der Zahlungsfähigkeit, mithin das Nichtvorliegen einer Anspruchsvoraussetzung, darzulegen

 

Rz. 188

 

Hinweis

Es reicht nicht aus, wenn er die Betriebstätigkeit wieder aufnimmt und lediglich die Löhne zahlt.[138] In allen diesen Fällen sind aber die Gesamtumstände des Einzelfalls entscheidend.[139]

 

Rz. 189

Das Insolvenzereignis ist von Bedeutung für die Feststellung der drei Monate, für die der Arbeitnehmer aus einem Arbeitsverhältnis mit seinem Arbeitgeber noch Arbeitsentgelt zu beanspruchen hat (Insolvenzgeldzeitraum), sowie für die Berechnung der zweimonatigen Antragsfrist auf Insolvenzgeld nach § 324 Abs. 3 SGB III.

 

Rz. 190

 

Hinweis

Aufgrund des klaren gesetzlichen Wortlauts scheiden andere Ereignisse wie der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Anzeige der Masseunzulänglichkeit oder die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung als Insolvenzgeld auslösende Ereignisse aus.

[134] BSG v. 17.5.1989, SozR 4100 § 141b Nr. 46.
[135] BSG v. 30.10.1991, SozR 3–4100 § 141b Nr. 3 = NZA 1992, 1151.
[136] BSG v. 27.8.1998, SozR 3–4100 § 141e Nr. 3.
[138] BSG v. 11.1.1989, SozR 4100 § 141b Nr. 43.
[139] BSG v. 11.1.1989, SozR 4100 ...

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