1. Ausschlusstatbestände

 

Rz. 307

In § 166 SGB III sind drei Fallgruppen aufgeführt, in denen der Anspruch auf Insolvenzgeld entfällt, obwohl ein Anspruch auf Arbeitsentgelt vorhanden ist. Durch die Regelung soll die missbräuchliche Inanspruchnahme von Insolvenzgeld vermieden werden.

 

Rz. 308

Obwohl ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht, wird kein Anspruch auf Insolvenzgeld begründet, wenn

ein Anspruch auf Arbeitsentgelt wegen oder für eine Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht (siehe Rdn 268 ff.),
der Anspruch auf Arbeitsentgelt auf einem nach der Insolvenzordnung anfechtbaren oder angefochtenen Rechtsgeschäft beruht (siehe Rdn 315 ff.),
der Anspruch auf Arbeitsentgelt wegen eines Leistungsverweigerungsrechts des Insolvenzverwalters nicht erfüllt zu werden braucht (siehe Rdn 320 ff.).

Ist Insolvenzgeld erbracht worden, obwohl einer der genannten Fälle vorliegt, besteht ein Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit nach § 166 Abs. 2 SGB III.

2. Ausgeschlossene Arbeitsentgeltansprüche

a) Ansprüche auf Arbeitsentgelt wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder für eine Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Rz. 309

Arbeitnehmer und Arbeitgeber könnten zu Lasten der Bundesagentur für Arbeit vereinbaren, dass beim Ausscheiden des Arbeitnehmers das Arbeitsentgelt erhöht wird. Dies hätte dann auch eine Erhöhung des Anspruchs auf Insolvenzgeld zur Folge. Um dies zu verhindern, sind Arbeitsentgeltansprüche, die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, ohne Wirkung auf den Anspruch auf Insolvenzgeld (§ 166 Abs. 1 Nr. 1 SGB III).

 

Rz. 310

Gleichwohl ist zu prüfen, ob in einer Abfindung Arbeitsentgelt enthalten ist, das wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird und dementsprechend nicht insolvenzgeldfähig ist oder auch Arbeitsentgeltanteile, die nur aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden und die eine Erhöhung des Insolvenzgeldes bewirken können. Letzteres wird von den Arbeitsvertragsparteien in manchen Fällen vereinbart, um für diese Arbeitsentgeltanteile die gesetzlich notwendigen Sozialversicherungsabgaben nicht zahlen zu müssen.

 

Rz. 311

Auch die Urlaubsabgeltung ist vom Ausschluss des § 166 Abs. 1 Nr. 1 SGB III erfasst. Da § 7 Abs. 4 BUrlG die Abgeltung des Urlaubs vorschreibt, wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, ist die Urlaubsabgeltung unter die vorgenannte Regelung zu subsumieren und kann nicht zu einer Erhöhung des Insolvenzgeldes führen.[228] Der Anspruch auf Abgeltung eines Schadensersatzanspruches auf Gewährung von Ersatzurlaub in Geld steht im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis. Dieser Anspruch entspricht seiner Struktur nach dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG, der zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt i.S.v. § 165 Abs. 2 S. 1 SGB III zählt. Allerdings ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wesentliche Bedingung für den Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abgeltung des Schadensersatzanspruchs auf Gewährung von Ersatzurlaub in Geld. Auch insoweit ist dieser Schadensersatzanspruch in seiner Struktur mit dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG vergleichbar und wird vom Anspruchsausschluss des § 166 Abs. 1 Nr. 1 SGB III erfasst.[229]

 

Rz. 312

Dass Arbeitsentgelt nicht für eine Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgesichert werden soll, entspricht dem Gedanken des Insolvenzgeldes, das Arbeitsentgelt nur für die letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis abzusichern.

 

Rz. 313

 

Hinweis

Nicht verwechselt werden darf dies mit Entgelten, die zu einem Zeitpunkt nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen, aber auf eine Zeit während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zurückwirken, wie z.B. nachträglich vereinbarte Tariflohnerhöhungen. Diese erhöhen den Anspruch auf Insolvenzgeld, soweit sie den Insolvenzzeitraum betreffen.

 

Rz. 314

Ansprüche auf Schadensersatz des Arbeitnehmers wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 628 Abs. 2 BGB sind Ansprüche, die auf die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet sind. Sie erhöhen den Anspruch auf Insolvenzgeld nicht.

b) Arbeitsentgeltansprüche, die durch eine nach der Insolvenzordnung angefochtene oder anfechtbare Rechtshandlung erworben worden sind

 

Rz. 315

Nach § 129 InsO kann der Insolvenzverwalter nach den Vorschriften der §§ 130 bis 146 InsO Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, anfechten.[230] In Fällen, in denen eine Vergütungserhöhung rückwirkend vereinbart worden ist bzw. höhere Sonderzahlungen ohne entsprechende Gegenleistungen ausgebracht wurden, kommt ggf. § 132 Abs. 1 InsO in Betracht.

 

Rz. 316

§ 133 InsO kann einschlägig sein, wenn eine Rechtshandlung, die der Arbeitgeber in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil (Arbeitnehmer) zurzeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. In der Praxis sind Fälle von Benachteiligungen der Insolvenzgläubiger durch vom Arbeitgeber geschlossene entgeltliche Verträge...

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